Wut und Traurigkeit


Werner Krätschell, Berlin

Leserbrief für die Kirchenzeitung der EKBO

Eine tiefe Traurigkeit erfüllt mich wegen der jüngsten Positionierung der EKD, nämlich Aufrüstung und sogar den Einsatz von Atomwaffen in den Toleranzbereich zu holen. Zurzeit vollzieht sich doch in Deutschlands und Europas Gesellschaften eine Umkehrung des Prophetenwortes „Schwerter zu Pflugscharen“: „Pflugscharen zu Schwertern“, denn die Mittel, die zur Unterstützung von Leben dringend gebraucht würden, werden in gigantischem Ausmaß für „Schwerter“ und für das Töten von Leben ausgegeben.
Wo bleibt das Vermächtnis der von den einst 7 östlichen Landeskirchen getragenen Friedensbewegung mit jenem Bibelwort im Hintergrund? Das Wort von den Pflugscharen wurde in der bewunderungswürdigen Auseinandersetzung mit dem DDR-Staat in eine neue Formel übersetzt: „Keine Gewalt“. Mit dieser Kraft und mit Gottes Hilfe wurde dann der waffenstarrende DDR-Staat aus den Angeln gehoben. Und nun geht ausgerechnet von Dresden (Februar 1945!), sogar theologisch begründet, jene neue Positionierung der EKD gegenüber der Gewalt aus!
Wenn wir auf Weihnachten schauen, so ist Gott doch zeichenhaft und bedeutsam in Schwachheit zu uns gekommen. Er hat diese bis zum Tod am Kreuz für uns durchgehalten. Nur deswegen dürfen wir trotz aller Gewalt und Propaganda auf Gottes Schutz und auf Positionsänderungen hoffen.

Werner Krätschell, Theologe, war Superintendent der evangelischen Kirche in Berlin-Pankow, ab 1981 beteiligt am Pankower Friedenskreis, 1989/90 Mitmoderator des Berliner Runden Tisches, von 1997 bis 2005 Chef der neu aufzubauenden Soldatenseelsorge in der Bundeswehr in den Neuen Bundesländern, Ehrendoktor der Universität Birmingham und der Furman University in Greenville, South Carolina.