Vorstellung der Figuren „Engel und Bergmann“ von Christina Doll
Predigttext
Hiob 28, 1-28 · Das Lied von der Weisheit Gottes
1 Es hat das Silber seine Gänge und das Gold seinen Ort, wo man es läutert.
2 Eisen bringt man aus der Erde, und aus dem Gestein schmilzt man Kupfer.
3 Man macht der Finsternis ein Ende, und bis ins Letzte erforscht man das Gestein, das im Dunkel tief verborgen liegt.
4 Man gräbt einen Schacht fern von da, wo man wohnt; vergessen, ohne Halt für den Fuß, hängen und schweben sie, fern von den Menschen.
5 Man zerwühlt wie Feuer unten die Erde, auf der doch oben das Brot wächst.
6 …..10 Man bricht Stollen durch die Felsen, und alles, was kostbar ist, sieht das Auge. 11 Man wehrt dem Tröpfeln des Wassers und bringt, was verborgen ist, ans Licht. 12 Wo will man aber die Weisheit finden? Und wo ist die Stätte der Einsicht?
13 Niemand weiß, was sie wert ist, und sie wird nicht gefunden im Lande der Lebendigen.
14 …. 20 Woher kommt denn die Weisheit? Und wo ist die Stätte der Einsicht?
21 Sie ist verhüllt vor den Augen aller Lebendigen, auch verborgen den Vögeln unter dem Himmel.
22 ….
23 Gott weiß den Weg zu ihr, er allein kennt ihre Stätte.
24 …..27
28 und sprach zum Menschen: Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Einsicht.
Liebe Gemeinde,
was ist das denn nun mit dem Advent.
Ewige Wiederkehr und alle Jahre wieder. Tradition und Brauchtum – ein wenig „So tun als ob“, auch wenn man das gar nicht mehr so ganz ernst nimmt. Ein zaghafter Versuch, wenn man schon nicht diese Erde verändern kann, dann doch wenigstens für ein paar Wochen die eigene Haltung dazu zu verändern.
Nun gut, so mag es sein, aber, indem wir uns diese Traditionen aneignen, sie pflegen und weitergeben, lassen wir in uns aber auch etwas von dem Grundgefühl aufscheinen, dass das was ist, nicht alles ein kann, nicht sein darf!
In den erzgebirgischen Weihnachtsliedern ist dieser Hoffnungsansatz deutlich zu lesen und hören. Das traurige Mütterlein, das am Ofen einschläft – voller Kummer und Traurigkeit über den in der Ferne verstorbenen Sohn und trotzdem: „s,ist Weihnachtszeit, Zeit der Freide und der Lichter“, die Sehnsucht nach dem Vater, der noch im „Feld“ ist – also im Krieg und dann heißte es: „Stille Nacht, heilige Nacht. Bring uns o Weihnachtszeit doch wieder Frieden. Führ uns zurück zu Frau und Kindern zu unserem Glück, da singen wir Männer mit Glück: o selige Weihnachtszeit“.
Liebe Gemeinde
Engel und Bergmann gehören seit Jahrhunderten zur festen weihnachtlichen Tradition im Erzgebirge und auch schon seit vielen Jahrzehnten außerhalb Sachsens.
Für die „Löffelschnitzer“, also die tatsächlich oft bitterarmen Bewohnern des Erzgebirges, die um des puren Überlebens willen an den langen Winterabenden in den Hütten saßen und Räuchermännl, Nussknacker, Kurrendeknaben, Spanbäume, Weihnachtskrippen und -pyramiden und eben auch Engel und Bergmann geschnitzt haben, sind diese Figuren aber mehr als Tradition und Brauchtum.
Sie stehen für ihr Leben, für die Arbeits- und Lebenswelt, die diese Landschaft über Jahrhunderte geformt und überformt hat und für die Sehnsucht und Hoffnung, die die Menschen in ihrem harten und oft entbehrungsreichen Alltag gehalten hat.
Von den Reichtümern der Berge haben die Bergleute wenig gehabt. Wir sehen die Pracht der Bergstädte Annaberg, Schneeberg oder Freiberg – und vergessen darüber, dass Silber und Erz nur eine kleine Oberschicht reich gemacht haben.
Mit großem Erfindergeist, riesigem Aufwand, langer Planung, Akribie, Wissen und Kraft wurden die Berge erforscht und seine Schätze geborgen – aber die Weisheit, das Verstehen und Erkennen, ja vielleicht sogar der Sinn ist darin nicht zu finden – so sagt es Hiob.
Für die Bergleute war neben all den technischen Fertigkeiten und ihrem Wissen, natürlich Licht ganz entscheidend. Das Licht, dass man am Morgen beim Einfahren in den Schacht vielleicht gerade noch von Osten her aufscheinen sah und das dann bei Ausfahren aus dem Schacht im Westen schon untergegangen war. Das Licht, ohne das man unter Tage nicht arbeiten und sich nicht orientieren konnte. Neben allen Fertigkeiten und Vorbereitungen für die Arbeit unter Tage blieb doch noch so viel, was nicht planbar, verfügbar und sicherzustellen war: komme ich wieder ans Tageslicht, wird alles gut gehen und auch: werde ich ertragreich arbeiten. Woher kommt mir dabei Hilfe? Die heilige Barbara wurde verehrt (4.Dezember) und immer wieder natürlich die Lichterwesen, die Engel, die leuchten, begleiten, schützen und bewahren sollen. Die ganz reale erbetene und erfahrene Begleiter waren.

Die geschnitzten Figuren hier auf dem Altar sind dafür optimierte Sinnbilder
Die Figuren von Christina Doll für das Jahr der Kulturhauptstadt Chemnitz und Erzgebirge geschaffen – sind individuelle Figuren, die aber nach Vorbildern geschaffen sind – hier haben verschiedene Vorlagen Eingang gefunden: der Arbeiter – Albrecht Dürer – Bergleute aus Volker Koepps Film WISMUT, im Engel erkennen wir die Gesichtszüge eines Mädchens mit Beeinträchtigung.
Die Figuren führen mich in die konkrete Auseinandersetzung mit der Frage, was Advent eigentlich ist – für mich, heute und was ich mir bei dieser Überlegung von Menschen aus anderen Zeiten und anderen Lebensvollzügen sagen lassen kann und ja, was ich mir von Menschen über ihre Hoffnungen und Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte im Advent und zu Weihnachten sagen lasse, die nicht so wohlhabend und gesund sind wie ich, die nicht über Festtagsessen und Baumschmuck nachdenken, sondern über satt-Werden und Heimatverlust, die nach ihrer Arbeit zu zerschlagen sind, um noch auf einen der Weihnachtsmärkte zu gehen oder für die die Sehnsucht nach Frieden ganz existentiell die Frage nach Überleben und Zukunft ist und nicht nur eine Frage, an der man mal die Dehnbarkeit ethischer Grundsätze und religiöser Überzeugungen erprobt.
Advent meint doch, dass wir gewiß sein können, dass die Zeit Gottes kommt. Die Zeit des Heilands der Welt. „An Weihnachten schleußt ER wieder auf die Tür zum schönen Paradeis.“ Am Ende des Advents ist nicht aller Tage, sondern Heiliger Abend.
Und weil dem so ist, können Christinnen und Christen die Traditionen der Advents- und Weihnachtszeit genießen, sollten sich aber gewiß sein, dass sie mit der zugrundeliegenden Wahrheit mit der Weisheit dieser Welt über Kreuz liegen. Die Weisheit dieser Welt, des gesunden Menschenverstands, ist eben doch nicht alles, was kommen kann.
„Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Einsicht.“ – so heißt es bei Hiob und im Evangelium haben wir gehört „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“
Christen erwarten getrost, was kommen mag. Denn sie wissen, dass am Ende der kommt, auf den so wenig hindeutet in dieser Welt und der alles daran gesetzt zu haben scheint, keine Spuren zu hinterlassen und sich zu verstecken in und hinter der Welt. Sie wissen, dass am Ende der kommt, der am Anfang war und ist und sein wird und eines Tages alle erlöst.
Auf dem Weg dahin, ist all das, was uns an Schönheit, Tradition, Musik und Lichterzauber geschenkt ist, zu genießen und einfach darauf zu hoffen, dass sich dahinter, auch hinter der schlimmsten Verkitschung und der zuckrigsten Variante von „Last Christmas“ für alle Menschen ein Stück der Hoffnung auf Gottes Reich verbirgt.
Zugleich ist Advent aber eben auch Zeit des Wartens, Glaubens und des Vertrauens. Und vielleicht ist im Glänzen der Augen der großen und kleinen Kinder die Flamme der Frohen Botschaft sichtbar
Und Advent ist die Zeit, „die gute neuen Mär“ zu erzählen. Die christliche Gegenerzählung vom „Frieden auf Erden“, der aller Welt verheißen ist – auch auf die Gefahr hin als Märchentante- und onkel lächerlich gemacht zu werden und einen Platz bei den Beeinträchtigten zugewiesen zu bekommen. Aber ohne diese Botschaft, ist weder der Advent, noch Weihnachten, noch die christliche Kirche zu retten.
Und so schön all unsere Traditionen und Bräuche sind, so brauchen sie auch einen Ausdruck in der Tat, um in unserer harten Welt an den ersehnten Heiland zu erinnern. „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
Deshalb kann der Christ im Advent ein fröhlich strahlender Mensch sein:
„Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“
Die Dunkelheit kann uns nicht festhalten, weil die Kerzen des Advents und erst recht das Licht vom Stall wirklich die Kraft haben, auch in die dunkelsten und sorgenverhangenen Winkel meiner Seele und meines Herzens hineinzuscheinen. Und vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass das Licht Jesu umso heller scheint, je finsterer es um mich ist und wenn alle anderen Lichter längst verloschen sind.
AMEN
