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Predigt · 3. Sonntag nach Epiphanias · 21. Januar 2024 · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Jan 22, 2024 in Predigten

3.Sonntag nach Epiphanias    21.1.2024


Liebe Gemeinde

Kennen Sie, kennt ihr die Geschichte von Naaman?

Ich hätte bis vor ein paar Tagen ganz sicher „Ja“ gesagt und mich an die Bibelkundeprüfung Altes Testament bei Professor Welten vor bald 30 Jahren erinnert:

2.Könige, Kapitel 5 Elisa heilt Naamen, Feldhauptmann der Aramäer.

Mehr wusste ich aber nicht mehr.

Dabei gibt es so endlos viel in diesem Text zu entdecken, von dem wir in der 1. Lesung einen kleinen Ausschnitt gehört haben. So vielschichtig, religiös und politisch, weltliche und göttliche Macht, die Weltsicht der „da Oben“ und der „dort Unten“, Lösungsstrategien von Machtmenschen und sogenannten einfachen Leuten und eben nicht zuletzt das Bedürfnis aller Menschen gesund, rein, heil – neu zu werden – und zu bleiben, auch wenn die Zwänge und Notwendigkeiten des Alltags Kompromisse nötig machen.

Also erzähle ich die Geschichte ganz, vom Feldhauptmann, den beiden Königen, dem Propheten und Gott, der auf wundersame Weise von Anfang an dabei ist und von den vielen „kleinen Leuten“, ohne die die Geschichte ganz anders ausgegangen wäre.

Naaman ist ein großer Offizier in Diensten des Königs von Aram im stolzen Damaskus. Er ist zum zweiten Mann im Staat aufgestiegen, denn er hat die letzten Kriege zugunsten seines Königs entschieden.

„In der Kraft des HERRN“- so heißt es ganz überraschend über den Sieg der Aramäer gegen Israel.

Naaman, mächtig, stattlich, erfolgreich, wertgeschätzt und verehrt.

Nur in seine unmittelbare Nähe wollte sich keiner wagen. Aussatz, Schuppenflechte – man weiß es nicht genau – aber Naaman war durch eine Hautkrankheit so entstellt, dass jeder, der sich im nahte, Angst vor Ansteckung hatte.

Seine Erfolge und seine Stellung hatten ihn unberührbar gemacht, nun mag man ihn tatsächlich nicht mehr berühren.

Es sei denn, man liebt ihn.

Die Leute des Naaman lässt sein Geschick nicht kalt. Aber ausgerechnet eine aus Israel verschleppte Geisel hat die rettenden Idee. Sagen kann sie es ihm aber nicht direkt.

„Ach, wär er bei uns zu Hause in Samaria, der Prophet würde ihm sofort helfen“ sagt sie zu ihrer Herrin, der Frau des Naaman

Was für eine starke Friedensbotschaft! Die kleine Dienerin, die aus Israel Verschleppte sieht in Naaman, diesem mächtigen Mann, nicht den Feind (der er zweifellos ist), sie sieht den leidenden Mitmenschen, dessen Elend sie anrührt. Sie entmenschlicht ihn nicht, trotz all seiner Taten und bleibt dabei selber Mensch.

Und Naaman – seine Sehnsucht wieder gesund, heil zu werden lässt ihn – für einen Mensch seiner Stellung – seltsame Dinge tun: er hört auf seine Frau und den Rat ihrer Dienerin, er bitten den König, ins Feindesland ziehen zu dürfen. Und der König – erlaubt seinem wichtigsten Offizier diese Reise, ja viel mehr: er stattet ihn mit einem königlichen Sendschreiben und wie unter „Seinesgleichen“ üblich mit wertvollen Geschenken aus. Naaman kann seine Lasttiere mit sechstausend Goldklumpen und zehn Festkleidern und noch zehn Zentner Silber beladen. Ein unglaublicher Schatz.

Der Mann wählt alle Mittel, die ihn groß machen, aber seine kranke Haut macht ihn ganz klein. Und er hat etwas an dem Rat seiner Dienerin nicht verstanden: Geld ist ganz offensichtlich nicht die Lösung. Denn nicht der König Israels zu dem er sich auf den Weg macht, heilt, sondern: „Ach, wär er bei uns zu Hause in Samaria, der Prophet würde ihm sofort helfen.“

Und Jehoram, der König Israels reagiert auch nicht wie erhofft. Er liest in dem königlichen Brief: „Ich habe meinen Knecht Naaman zu dir geschickt, daß Du ihn von seinem Aussatz befreist,“ und bei ihm gehen alle Alarmlampen an.

Diese Aufforderung ist eine Lästerung Gottes. Er zerreißt seine Kleider, wie man das tut, wenn man trauert, weil jemand Gott gelästert hat. ‚Das darf doch wohl nicht wahr sein. Das muß der doch wissen. Das ist wohl wieder eine dieser Provokationen des Königs von Damaskus!‘ Da löst doch die Schuppenflechte des Naaman und seine Suche nach Heilung fast den nächsten Krieg aus.

Zumal es ja auch so ist, dass der König den Propheten nicht einfach beauftragen kann.

Die „da Oben“ machen alles verkehrt – in ihrer Welt alles richtig, aber dadurch alles falsch.

Wenn da nicht der Mann Gottes wäre, Elisa, der Prophet.

Wieder ist es einer „von den Kleinen“, die die Situation erkennen und auflösen können. Propheten sind damals nicht besonders eng mit der Macht verbunden und der König ist auf Elisa nicht gut zu sprechen. Hatte der doch vor kurzem noch die Verehrung der Stierbilder in Bethel kritisiert. Aber Elisa ist bekannt für seine unkonventionellen Lösungen überall dort, wo Menschen in Bedrängnis sind. Ein beeindruckend selbstbewußter Kerl. Er hat so gar nichts von der leidenden, selbstgrüblerischen Art seines Lehrers Elia. Er ist sich seines Amtes völlig sicher. „Ej, König, was zerreißt du deine Kleider? Schick ihn zu mir. Du meinst zu erkennen, daß er Böses im Schilde führt. Der soll erkennen, daß es einen Propheten in Israel gibt.“

Am Ende der Geschichte wird es der Heide Naaman sein, der die größte Erkenntnis zum Ausdruck bringt, nämlich: es gibt keinen Gott in allen Landen außer in Israel.

So steigt Naaman wieder auf seinen Wagen und zieht mit seinem Gefolge zum Haus des Propheten.

Auf das im Vergleich zum Königsschloss kleine Haus des Elisa hatte er sich ja vielleicht eingestellt, aber dass der nicht mit der gebotenen Höflichkeit und Ehrerbietung aus seiner Tür tritt und den vornehmen Mann aus Syrien begrüßt, das irritiert ihn. Der kommt nicht mal selbst heraus, sondern schickt einen seiner Schüler als Boten.

„Der Prophet läßt dir sagen, geh hin zum Jordan und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.“ Elisa hat das als kluger Mann genau überlegt: Wenn ich jetzt mit ihm persönlich Kontakt aufnehme, dann meint er am Ende, er sei geheilt durch meine Kraft.

Aus der Sicht Naamans sieht das anders aus: er wird ärgerlich: Hat der es doch nicht mal nötig, herauszukommen. Er müsste doch wenigstens mit mir zusammen zu seinem Gott beten, sonst wird das doch nix. Wie soll sein Gott von meiner Not erfahren, wenn er ihn nicht anruft? Er hatte doch auf Chefprophetenbehandlung gehofft und hier fertigt ihn eine bessere Prophetensprechstundenhilfe ab!

Er hat auf die Dienerin und seine Frau gehört, ist ins Feindesland gereist, hat sich dann noch auf den Weg zum Propheten gemacht und nun das!

Verärgert macht er sich auf den Heimweg, denn Wasser haben sie da auch im Überfluss, viel besser und viel größer! Natürlich!

Und wieder, sind er die „Niederen“, die zu ihrem verehrten Befehlshaber gehen – eben weil sie in Sorge um ihn ist, vielleicht weil sie ihn nicht nur verehren, sondern ihn in all den Jahren schätzen ja lieben gelernt haben. „Lieber Vater,“ sagen sie. „Was hat er Unmögliches von dir verlangt, Herr? Mach’s doch einfach. Wasche Dich und du wirst rein.“

Und dann ist Naaman wieder ganz der große Herr. Nur Waschen, pah, sieben mal taucht er unter „und sein Fleisch wurde rein wie das Fleisch eines jungen Knaben.“

Wir könnten nun Psychologisieren und Theologisieren:

Doch zuvor eine jüdische Anekdote: Ein Rabbi wird von seinen Schülern gefragt: “Früher gab es Menschen, die Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen haben. Warum gibt es die heute nicht mehr? Und der Rabbi antwortete: „Weil sich heute keiner mehr so tief bücken möchte!“

Rein-Werden,  Heil-Werden ist keine Frage des Standes, des Reichtums, ist nicht zu befehlen und auch nicht käuflich – es ist allein eine Frage der Gnade. Ist Geschenk. Nicht wie ich will, sondern wie du, Gott, willst.

Nachdem Naaman sich – aus seiner Sicht – erniedrigt hat, sich bewegt, verändert hat, einen Rückfall in alte Verhaltensweisen dank des Eingreifens seiner Diener überwunden hat, wird er rein. Nicht sein Glaube macht ihn rein, sein Handeln und Tun.

Zur Erkenntnis des Glaubens kommt er erst im Anschluss: „Siehe, nun weiß sich, das kein Gott ist in allen Landen außer in Israel.“ Und fällt doch gleich wieder in alte Muster zurück. Nun muss doch der Prophet all seine Geschenke annehmen. „Ich nehme es nicht!“ antwortet Elisa, denn er hat ja nichts getan, er hat die Ehre, die Belohnung nicht verdient.

Allein Gott gebührt „Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm“.

Mit der Heilung und der Gotteserkenntnis ist Naaman in seiner Welt ein Fremdling geworden, der seinen Glauben nur mit Kompromissen in dieser Welt leben kann. Er erbittet sich von Elisa zwei Maultierladungen Erde, dass er den Boden, in dem er neue Wurzeln gefunden hat, mitnehmen kann – in der alttestamentlichen Wissenschaft heißt das: er nimmt sich „sakramentalen Halt“ mit. Und das ist mehr als vorneuzeitliches magisches Denken – wer ehrlich mit sich ist, wird all die Gegenstände, Riten und Gebräuche aufzählen können, die ihrer und seiner Identität Halt geben und da meine ich nicht nur das kleine Kind, das ohne das Lieblingskuscheltier keinen Schritt tut und schon gar keine Nacht einschläft.

Naaman braucht diesen Halt, weil er in seiner Welt herausgefordert ist – mindestens wenn er mit seinem König in den Tempel des Gottes Rimmon geht und sich der König dabei auf seinen Arm stützt.

Keine strengen Gebote und Verbote für das neue Leben im Glauben – stattdessen entlässt Elisa Naaman in den großen Raum der Freiheit und wünscht ihm „Zieh hin im Frieden!“

Amen