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Predigt · Ostern · 5. April 2015 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Apr 10, 2015 in Predigten

Markus 16, 1 – 8

Liebe Schwestern und Brüder,
als wir uns heute früh um 5.00 zum Bürgerpark aufmachten, um das
Osterfeuer zu entfachen, bekam ich eine Ahnung von dem, was die
Frauen vor 2000 Jahren gespürt haben mochten,
als sie am 1. Tag der Woche frühmorgens vor Sonnenaufgang zum
Grabe Jesu gingen.


Mit einem wesentlichen Unterschied:
wir haben die Botschaft von der Auferstehung hinter uns,
die Frauen hatten sie noch vor sich.
Und – die Frauen gingen zum Grab,
wir gingen in den Bürgerpark.


Aber die Dunkelheit, die war auch für uns zu spüren,
die Kälte, die Müdigkeit, das Unheimliche einer dunklen Stadt.


Doch der Morgenstern überstrahlte den ganzen Himmel und
kündigte das Ende der Nacht an.


Wir versammelten uns um das Feuer, es strahlte Wärme und
Geborgenheit aus.


Wir hörten die alten Gesänge und Texte
und dann kam das Licht – das Morgenlicht, das einen neuen Tag
ankündigte.


Mit der Osterkerze in der Hand zogen wir in die Kirche, lasen die
Ostergeschichte und sangen die Ostergesänge.


Liebe Schwestern und Brüder,
am letzten Freitag gedachten wir der Kreuzigung Jesu,
aber dieser Tag war nicht nur Karfreitag,
unsere jüdischen Schwestern und Brüder feierten am Freitag ein Fest das Passahfest.
Das jüdische Passahfest und das christliche Osterfest gehören
unmittelbar zusammen.


In der Bibel wird uns überliefert, dass Jesus ein paar Tage vor dem
zentralen jüdischen Feiertag, dem Passah – dem Gedenken an den Auszug
Israels aus der Sklaverei in Ägypten, in Jerusalem einzieht, um mit seinen
Jüngerinnen und Jüngern das traditionelle Passahlamm zu essen.
Während dieses Festes wird er dann gekreuzigt.


Das Passahfest ging dann in der christlichen Kirche über in das
Osterfest.


Die christliche Vereinnahmung ging so weit, dass Martin Luther in
der Passionsgeschichte Jesu in allen 4 Evangelien das Passahfest und
das Passahlamm stets übersetzte als „Osterfest“ und „Osterlamm“.


Die göttliche Befreiung Israels aus Sklaverei und tödlicher Lethargie fällt
nicht von ungefähr in die Frühlingszeit.
Von alters her feierten die Menschen den Frühling als die Jahreszeit, in
der die Natur aus Schnee und Eis, aus Sterben und Abstieg in das
Totenreich, sich wiederbelebt und zu neuem Leben entfaltet.
Auch unser deutscher Name für dieses Fest : „Ostern“ weist auf diese
Tradition.
Ostara war eine germanische Frühlingsgöttin.


Gott schenkt neues Leben, er führt hinaus aus Knechtschaft und Stillstand,
er verheißt eine gute Zukunft und schenkt einen neuen Anfang.
Und er ist ein treuer Gott, der sein Volk durch Angst und Schrecken,
durch Schuld und Sünde hindurch nicht verlässt und es heimführt in das
versprochene Land.
So die Botschaft des jüdischen Passahfestes.

Und die ersten Christen, die Juden waren, erfuhren mit der Auferstehung
Jesu Christi von den Toten genau dieses befreiende und erlösende
Moment, wie sie es auch im Passahfest erlebten.


Erst einmal aber gab es die schreckliche Kreuzigung.


Als die Jünger und Jüngerinnen am Karfreitag ihren Herrn Jesus am
Kreuz hängen sahen, dachten sie, es ist alles vorbei.
Mit diesem schändlichen Tod sind nun alle Hoffnungen zerstoben,
die sie an Jesus von Nazareth geknüpft hatten.
Sie dachten, er wäre der ersehnte Messias,
Aber solch ein Ende kann doch einem Gottessohn gar nicht
widerfahren,
solch ein Ende ist doch der Beweis, dass er nicht der Messias sein
kann.


Aber dann ist etwas geschehen, was völlig unerwartet die ganze
Geschichte wieder neu ins Rollen brachte.
Wir nennen es das Ostergeschehen.


Es muss etwas so überwältigendes gewesen sein, dass die Kunde
darüber sich in Windeseile verbreitete
Die Jünger und Jüngerinnen haben erfahren, dass ihr Meister trotz
des Kreuzestodes wieder lebendig war.


Dieses unbeschreibliche Ereignis hat man versucht in Geschichten zu
packen.
Geschichten vom leeren Grab, wie wir sie eben gehört haben von
dem Evangelisten Markus.


Die anderen Evangelisten erzählen andere Geschichten mit anderen
Akzenten und Varianten.


Eines aber ist ihnen allen gleich: Es waren Frauen, die zum Grab
gingen und das Grab leer fanden.


Und erst dann begann die Geschichte der christlichen Kirche.


Erst nach Ostern verbreitete sich bei einigen seiner Anhänger der
Glaube, dass der jüdische Rabbiner Jesus aus der Stadt Nazareth der
ersehnte Messias ist.


Erst nach Ostern entwickelte sich die christliche Religion.


Aber warum dieser schreckliche Kreuzestod davor?


Liebe Schwestern und Brüder, das Kreuz und die Auferstehung
gehören zusammen –
Karfreitag ohne die Auferstehung wäre nur ein schwarzer
hoffnungsloser Tag – dem Elend dieser Welt verhaftet.


Die Auferstehung ohne das Kreuz wäre nur die Überwindung dieser
Welt, ohne die Erfahrung des Leides, ohne die Erdverbundenheit.


Das Kreuz und die Auferstehung verbinden Himmel und Erde,
verbinden Verzweiflung und Hoffnung,
Tod und Leben.


Die Vorstellung, dass Gott als der König über Himmel und Erde
herrscht, umringt ist von den himmlischen Heerscharen und der
unsichtbare Weltenlenker ist, diese Vorstellung ist dem antiken
Menschen vertraut.


Das Gott aber als einfacher Mensch das menschliche Leben teilt und
am Ende sogar eines fürchterlichen Todes stirbt,
diese Vorstellung ist dem antiken Menschen fremd.


Paulus umschreibt dieses Phänomen mit den Worten: Das Kreuz ist den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit.


Für das aufgeklärte griechische Bürgertum ist ein Gott, der am Kreuz
stirbt, eine Lächerlichkeit, eine kuriose Geschichte.


Für einen gläubigen Menschen ist die Vorstellung, dass Gott am
Kreuz endet eine Gotteslästerung, eine Blasphemie.


Die christliche Kirche hat in ihrer 2000jährigen Geschichte immer
wieder so ihr Problem mit diesem Kreuzestod.


Der auferstandene, der verherrlichte Christus dagegen passt doch viel
eher in das Bild einer Kirche, die von Weltherrschaft und
Alleinvertretungsanspruch träumt.


Liebe Schwestern und Brüder, aus dem Glauben, dass Gott eines
schrecklichen Todes am Kreuz stirbt,
dann aber den Tod überwindet und am Ende über Gewalt,
Ungerechtigkeit und Hass den Sieg davon trägt,
aus diesem Glauben haben seitdem unzählige Menschen ihre Kraft
genommen, sich gegen Gewalt und Hoffnungslosigkeit zur Wehr zu
setzen
und wenn es sein musste auch gegen eine machtverstrickte und
selbstherrliche Kirche.


In dem gepeinigten Menschen am Kreuz erkannten sich die
unschuldigen Opfer dieser Welt wieder,


die Misshandelten und Verfolgten, die Flüchtlinge,
die an den Rand Gedrängten, die Armen und die Verlierer der
Gesellschaft.


Durch das Ostergeschehen eröffnete sich ihnen die Welt in einem
völlig neuen Licht.


Die Opfer sind am Ende nicht vergessen – Gott hat sich selbst mit
ihrem Schicksal verbunden.
Er ist ein treuer Gott, der mit seinem Volk durch das Leben und durch
den Tod hindurch geht.


Er schafft Recht – er hilft der Gerechtigkeit zum Sieg.


Am Ende hat nicht der Tod das letzte Wort, sondern das Leben.


Und auch wenn die Opfer von Gewalt und Hass in diesem Leben
noch keine Gerechtigkeit erfahren, so werden sie es im Reiche Gottes
erfahren, am Tage des Gerichtes – wenn Gott Recht schafft und die
Welt wieder ins rechte Lot bringt.


Vertröstung auf´s Jenseits?


Nein, liebe Schwestern und Brüder, der Osterglaube ist die Kraft trotz
Niederlagen und Rückschläge festzuhalten an der Hoffnung auf eine
gerechte Welt.


Und in dieser Hoffnung haben sich Menschen immer und immer
wieder zur Wehr gesetzt gegen ungerechte Strukturen, gegen das
Gesetzt von Gewalt und Hass.


Liebe Schwestern und Brüder, so werden auch wir die Hoffnung
nicht verlieren, dass Gott in dieser Welt gegenwärtig ist,
neben uns und in uns den Weg durch das Leben und durch den Tod
geht.


Im Ostergeschehen sehen wir die gequälte und geschundene Kreatur
aufgehoben und wieder auferstehen zu neuem Leben.


Gott selbst hat sich mit den Opfern verbunden, er hat sich ihnen
gleichgemacht.

„Geht … nach Galiläa, dort werdet ihn sehen, wie er euch gesagt
hat.“ – so redet der Engel zu den Frauen.


Die Botschaft des Engels ist eindeutig: Löst euch aus eurer
Erstarrung, wendet euren Blick nun weg von dem Ort des Grauens
und geht zurück ins Leben. Dort werdet ihr ihn finden.


Galiäa – der Ort des Alltags, der Ort mit seinen Mühen und seinen
Sorgen, mit seiner Routine und seinen Gewohnheiten,
der Ort der täglichen Pflichten.
Dahin sollen sie wieder zurück.


Dahin lasst auch uns gehen mit der Botschaft und dem Licht des
Engels:


„Fürchtet euch nicht, ihr sucht Jesus den Gekreuzigten, er ist nicht
hier – er ist auferstanden.“


Amen