//

Predigt · 11. Sonntag nach Trinitatis · 19. August 2012 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Aug 25, 2012 in Predigten

Galater 2, 16 – 21

Liebe Schwestern und Brüder,


Es ist ein zorniger, ein rebellischer Brief,
den Paulus hier an die Galater schreibt.


Da gibt es Menschen, die sein mühsam aufgebautes Werk
von der Freiheit des Evangeliums wieder zunichte machen wollen.


Und das sind nicht irgendwelche Leute,
das sind die Autoritäten aus Jerusalem –
Petrus und Jakobus und andere aus dem Jüngerkreis Jesu.


Paulus hat es nicht leicht mit ihnen,
zumal er Jesus selber zu seinen Lebzeiten noch gar nicht kannte.


Da schlug ihm viel Misstrauen von den Stammaposteln entgegen.
Sie waren schliesslich die Hüter der reinen Lehre,
haben sie doch alles persönlich von ihm übertragen bekommen.


Wie konnte einer, der Jesus gar nicht gesehen und gehört hat,
in seinem Namen predigen?


Und zu allem Ärger kam noch hinzu, dass dieser Paulus sich unter
den Heiden bewegte als wäre er einer von ihnen.


Alle Vorschriften und Regeln , die ein gottesfürchtiger Mensch
einhält,
setzte er außer Kraft,
missachtete die Essensvorschriften, negierte die Beschneidung
und verstieß gegen die hierarchischen Strukturen.


Nach langem und zähem Ringen hat Paulus schliesslich die
Autorisierung als Apostel von der Zentrale in Jerusalem erhalten.


Von da an gab es eine gewisse Aufgabenverteilung:
Paulus war für die Mission unter den Heiden zuständig,
Petrus, Jakobus und Johannes für die Mission unter den Juden.


Und was Paulus als die große Befreiung durch seine Begegnung
mit Jesus erfahren hatte,
brachte er mit leidenschaftlichem Eifer unter die Menschen.


Nicht durch das Gesetz, nicht durch Vorschriften und Regeln,
nicht durch Leistung und Anstrengung,
moralisches Verhalten oder Achtung der Tradition erwerben wir
die Anerkennung und Liebe Gottes,


sondern allein durch den Glauben.


Der Glaube an Jesus, der bewirkt,
sich bedingungs- und vorbehaltlos als ein geliebtes Kind Gottes zu
verstehen,
das seine ganze Lebenskraft aus dieser Liebe speist
und so diese Liebe weiter geben kann.


Die guten Werke führen daher nicht zum Glauben –
sie sind die unvermeidlichen Nebenprodukte dieses Glaubens.


Wer von dieser Liebe erfüllt ist, der kann gar nicht anders
als dem Willen Gottes entsprechend zu leben.


Da weiss die rechte Hand nicht, was die linke tut,
da gibt es keine kleinkrämerische Berechnung von Leistung und
Lohn,
oder Unfähigkeit und Bestrafung, da gibt es weder die Angst vor dem Versagen, noch den Hochmut des Gerechten,


da gibt es nur noch das Staunen über die Fülle der einem
zufliessenden Gnade
und die überwältigende Dankbarkeit über die grenzenlose Liebe
Gottes.


Die Befreiung, die Paulus aus dieser Erkenntnis gewonnen hat,
lässt ihn sein ganzes vorheriges Leben als eine einzige Sklaverei
erscheinen


und er tut alles dafür, dass er und seine Schwestern und Brüder
nicht wieder in diese Knechtschaft zurück fallen.


Paulus nennt das „das Leben unter dem Gesetz“, das allein danach
bewertet wird, wie weit es das Gesetz erfüllt oder dagegen verstößt,


in dem Gott der gestrenge Richter ist, der Verfehlungen bestrafen
und Erfüllungen belohnen muss.


Aber Paulus wurde durch die Begegnung mit dem auferstandenen
Christus von diesem Gottesbild befreit,
ein Zurück gibt es für ihn nicht mehr,


„Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die
Gerechtigkeit durch das Gesertz kommt, so ist Christus vergeblich
gestorben“
schreibt er an die Gemeinde in Galatien.


Liebe Schwestern und Brüder, der Konflikt, der in der Gemeinde in
Galatien schwehlt, entzündet sich an der Frage, ob auch die
Heidenchristen sich der jüdischen Tradition der Beschneidung und
der Reinheitsvorschriften in den Speisen und in den Lebensregeln
unterzuordnen haben oder nicht.


Paulus hat nicht grundlegend was gegen die Beschneidung,
nein, wenn jemand meint, dass er das aus irgendwelchen Gründen
machen sollte, dann soll er das auch tun.


Aber er hat etwas dagegen, dass die Beschneidung, die
Essensvorschriften, die tradtionellen Rituale udgl.
heilsnotwendig sind,
oder dass Gott dieses unbedingt von den Menschen verlangt.


Liebe Schwestern und Brüder, es gibt ja heute wieder eine hitzige
Debatte um die Beschneidung.
Und wer hätte gedacht, dass nach 2000 Jahren diese immer noch
geführt wird.


Wir Christen haben von Paulus mit auf den Weg bekommen, dass
die Beschneidung nicht nötig ist, um von Gott angenommen zu
sein.


Wir haben aber auch von ihm zu lernen, dass wir andere
Traditionen und Gepflogenheiten zu achten und zu respektieren
haben.


Und so ist die Beschneidung von Jungen bei den Juden und bei den
Moslems von uns zu ebenso zu achten.


Die Beschneidung von Mädchen mit der Beschneidung von Jungen
aber auf die gleiche Ebene zu stellen,
ist eine völlig unzulässige Verharmlosung der
Mädchenbeschneidung, die wirklich eine brutale Körperverletzung
ist.


Gott braucht weder das eine noch das andere.

Er braucht auch keine Taufe, um ein Kind als sein Kind
anzunehmen.
Gott will einzig und allein die Hingabe des Menschen in seine
Liebe.


Aber wir Menschen brauchen solche Rituale, um uns unserer
Gotteskindschaft und Identität zu vergewissern.


Und Gott hat uns diese Rituale dafür auch geschenkt.
Sie dienen uns zum Heil, wenn wir sie nicht als Gesetz,
sondern als Geschenk verstehen.


Sie führen uns aber von Gott weg, wenn wir sie abgrenzend und
ausschliessend praktizieren.


Unsere unterscheidlichen Glaubensrichtungen, Konfessionen und
Religionen dürfen wir als großen Reichtum erleben.


Wenn wir allerdings nur unsere eigene Glaubensrichtug als die
einzige heilbringe Religion erklären, dann verspielen wir dieses
Heil.


Liebe Schwestern und Brüder,


Paulus ist beseelt von dem universalen Gedanken, dass Friede auf
Erden sein wird, wenn alle Völker unter dem einen Gott durch
Jesus vereint sind.,


und dabei ist er weit von dem kolonialen und machtpolitischem
Gebaren der christlichen Kirche entfernt,
die einige Jahrhunderte danach die Weltherrschaft erringen wollte.


Friedlicher wird die Welt nur, wenn wir auf die Vorherrschaft eines
Volkes, einer Kultur, einer bestimmten Dogmatik oder religiösen
Praxis verzichten
und uns gegenseitig zugestehen, was Paulus den Galatern mit auf
den Weg gegeben hat:


„denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder….Hier ist
nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist
nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt eins in Christus
Jesus.“
(Gal. 3,26f)