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Projekt Bergmann und Engel zum Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt 2025
Chemnitz und Umgebung

Posted on Nov. 3, 2025 in Nachrichten
Projekt Bergmann und Engel zum Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt 2025<br>Chemnitz und Umgebung

Viele Kilometer vom Erzgebirge entfernt, leuchtete das Figurenpaar Bergmann und Engel an jedem Weihnachten meiner Kindheit in volkstümlicher Strenge und Festlichkeit. Wen aber der Engel da eigentlich zu seiner Seite hatte und warum, das blieb unerwähnt, bis auf den Namen: Bergmann. Im Erzgebirge hat man dieses Paar auch in den Kirchen aufgestellt. An diesen Ort nun sollen Bergmann und Engel 2025 wieder zurückkehren, erweitert, neu gebildet und interpretiert.

Der Engel – ein Mittler zwischen den Welten, zwischen unserer und einer jenseitigen, von der wir hier auf der Erde Hilfe erhoffen. Was ist das eigentlich für ein Wesen? Welche Qualität geht von ihm aus? Als ich einer Gruppe junger Menschen mit Beeinträchtigung vor einiger Zeit bei Ihren Proben zu einem Krippenspiel zugesehen habe, gab es unter den Schauspielern einen Engel. Nachdem klar war, dass ich eine ganze Krippe nach den Modellen dieser Schauspielertruppe modellieren würde, habe ich mich ihm als erstes zugewandt.

In allen drei monotheistischen Religionen kommt der Engel vor und bevölkert unsere Vorstellungen von Gott und Glauben – mit und ohne Flügel. Noch in der Dunkelheit begaben sich die Bergmänner zum Schacht. Wenn sie unter Tage fuhren, begann ihr Arbeitstag in der Dunkelheit des Berginneren und wenn sie wieder ausfuhren, war es über Tage bereits wieder dunkel geworden. Wie sollte da Licht oder gar die Vorstellung lichterfüllter Welten nicht an Bedeutung gewinnen? Wer wußte denn, ob man überhaupt wieder unfallfrei und lebendig nach oben kam? Wenn Keiner einem zur Seite steht, von wo sollte Hilfe kommen, wenn nicht aus einer Welt der Vorstellung? Einer, die lichterfüllt sein konnte.

Ich mache Menschen nach unserem Abbild. Die bildliche Darstellung aber setzt sich aus einem Geflecht von Ebenen zusammen. Aus einem Kontext von sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhängen.

Individuelle Qualitäten im Widerstreit mit Sozialisation.
Erziehung und Geschichte, familiäre Prägungen und.Prägungen durch Umfeld und Gesellschaft – das Erbe derer,die vor uns waren. Variationen von Nasen, Körpern und.Gesichtern. Hinter dem Einen verbergen sich die vielen anderen. I am a multitude. Ich bin eine Vielzahl.

In Schneeberg, für die Bergmannskirche St. Wolfgang hat Lucas Cranach ein Altarbild geschaffen durch das zwei Spaziergänger wandern. Einer erläutert dem anderen die Grundthesen der Reformation: wie der Mensch durch Christus gerechtfertigt wird. Nicht durch gute Taten, sondern im Vertrauen auf die Gnade Gottes sollte der Mensch sein Verhältnis zu Gott neu ordnen können.
Die Physiognomien der beiden Spaziergänger bilden eine erste Ebene in der visuellen Zusammenführung meiner Bergmanndarstellung. Fotos von jungen Wismutarbeitern, und den Dokumentationen Volker Koepps treten hinzu. Aber auch die Selbstdarstellung Albrecht Dürers von 1500 in der Albrecht mit dem geläufigen Christusbild seiner Gegenwart verschmilzt.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Der erste Satz des Artikel 1 der Menschenrechte ist die säkulare Auslegung der Gottesebenbildlichkeit. Würde, Recht und Freiheit für alle: den Kumpel wurde es nicht zugestanden. Wie aber steht es denn mit Würde, Recht und Freiheit bei uns, im Heute? So oder ähnlich könnte der Engel seine Frage an uns richten.

Unter lebensbedrohlichen Umständen und Arbeitsbedingungen haben die Arbeiter viel Reichtum aus dem Berg geschafft. In einer Dokumentation sieht man das Wohnzimmer eines ehemaliger Wismut Bergarbeiters, der in einer riesigen raumsprengenden Vitrine seine Mineraliensammlung
aufbewahrt. Mineralien, Silber, Eisen und Erze. Gabe der Natur an den Menschen.
Die Figurenpaare von Bergmann und Engel sollten aus den vielen Materialien gegossen werden, die die Menschen im Laufe der Jahrhunderte aus Erde und Berg herausgeholt haben: Zinn und Zink als Bestandteil der Legierung Bronze, Neusilber, Aluminium, Gips, Keramik und Glas. Im Jahr der europäischen Kulturhauptstadt 2025 in Chemnitz und Umgebung steht dieses Paar in Aluminium und Neusilber gegossen, erneut zusammen um gemeinsam an die Würde aller Lebenden zu erinnern. Sie sind in Chemnitz und Zwickau, in Wolkenstein, Schneeberg und Annaberg zu sehen. Die Gemeinde Hohndorf hat das Paar in Lebensgröße realisiert.

© Christina Doll

Im Advent 2025 sind „Engel und Bergmann“ in der Alten Pfarrkirche in Pankow zu sehen. Am 2. Advent (7. Dezember) werden die Figuren im Beisein der Künstlerin im 10-Uhr-Gottesdienst vorgestellt.