Predigt · Sonntag Trinitatis · 15. 6. 2025 · Ruth Misselwitz
„Zuletzt, liebe Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“
So beendet der Apostel Paulus seinen 2. Brief an die Gemeinde in Korinth im 13. Kapitel.
Dieser Text ist heute der Predigttext.
Liebe Schwestern, wir feiern heute den Sonntag „Trinitatis.
Es ist der 1. Sonntag nach Pfingsten.
An ihm wird der Dreifaltigkeit Gottes gedacht.
Unser Kirchenjahr beginnt mit dem 1. Advent,
er eröffnet die Vorbereitungszeit auf die Geburt Jesu,
dann feiern wir das Weihnachtsfest,
an dem Gott als Mensch auf diese Erde kam,
dann gehen wir den Lebensweg Jesu bis zur Kreuzigung und Auferstehung im Osterfest
und dann feiern wir das Pfingstfest, an dem wir die Ausgießung des Heiligen Geistes auf diese Erde feiern.
Am Sonntag Trinitatis hat sich die Dreifaltigkeit Gottes erfüllt –
als Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Von nun an werden die Sonntage bis zum Jahresende nach dem Sonntag Trinitatis gezählt:
der 1. Sonntag nach Trinitatis, der 2. Sonntag nach Trinitatis, der 3…….,
über den Sommer, den Herbst bis hinein in den November.
In diesem Jahr zählen wir 20 Sonntage nach Trinitatis.
Dann bereiten wir uns auf das Kirchenjahresende vor
und feiern als letzten Sonntag den Totensonntag,
um dann am 1. Advent wieder mit dem Kirchenjahr zu beginnen.
Der Sonntag Trinitatis hat also eine ziemlich wichtige Stellung im Kirchenjahr.
Im Bewusstsein ist er allerdings so gut wie gar nicht präsent.
Wer kann schon heute was mit der Trinität anfangen?
Ein theologisches Konstrukt, das in den Anfängen der christlichen Kirche entwickelt wurde,
in den ersten Jahrhunderten viel Konzile und Kirchenkämpfe gekostet hat
und heute kaum noch eine Rolle spielt
und wenn ja, dann eher Unverständnis und Kopfschütteln erzeugt.
Mit der Trinität hat sich das Christentum einen schweren Vorwurf von unseren jüdischen und muslimischen Schwestern und Brüdern eingefahren – den Vorwurf der Vielgötterei.
Drei Götter hätten die Christen und somit den Monotheismus verlassen.
Es hat der christlichen Kirche viel Mühe gekostet,
diesen Vorwurf zu entkräften.
Hoch komplizierte theologische Erklärungen und Dogmen wurden nun verfasst,
die allesamt schwer zu verstehen und zu erklären sind.
Und dennoch müssen wir uns damit auseinandersetzten,
denn die trinitarische Formel „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ ist Bestandteil der ersten liturgischen Formeln in unserer Bibel.
Der Apostel Paulus benutzt diese Formel in seinem letzten Grußwort im 2. Brief an die Gemeinde in Korinth.
„Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“
Wir kennen dieses Wort als Kanzelgruß.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben in unserer protestantischen Kirche nicht solche starren Dogmen, wie wir das von der katholischen Kirche kennen.
Das Dogma stellt in der evangelischen Kirche weder ein Glaubensgesetz noch allgemein gültige Glaubenssätze dar.
Daher spricht man im evangelischen Verständnis eher von Bekenntnissen.
Der Schwerpunkt liegt in der individuellen Begegnung mit dem Wort Gottes.
Und auf diesem Weg habe ich mich im Laufe meines Lebens
der Dreifaltigkeit Gottes – der Trinität – angenähert.
In der Formel: „Vater, Sohn und Heiliger Geist“
liegt für mich das ganze Geheimnis der Schöpfung,
des Universums und des Menschen verborgen.
Schauen wir uns die drei Begriffe einmal näher an:
Der Vater:
Im Glaubensbekenntnis sprechen wir: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Wir bekennen damit, dass das ganze Universum aus dem Wort Gottes entstanden ist.
Die materielle und die geistige Welt,
die sichtbare und die unsichtbare Welt ist Teil der göttlichen Existenz, seiner Gegenwart.
Auch wenn es mich in ein anderes Sonnensystem oder Universum verschlägt, ins Himmelreich oder ins Totenreich –
ich glaube, das alles ist von Gott geschaffen.
In dem Glauben an die Allgegenwart Gottes
weiß ich mich an jedem Ort bis ans Ende der Welt
von Gott umgeben.
Ich darf diesen Gott als Vater oder Mutter anreden.
Als sein Ebenbild ist der Mensch geschaffen,
der göttliche Atem ist einem jeden Menschen eingehaucht,
als seine Kinder tragen wir die göttlichen Gene in diese Welt
und sind die Zeugen und Verkünder seiner Schöpferkraft.
Der Sohn
Gott hat sich entschieden, den irdischen Körper eines Menschen anzunehmen,
um ihm ganz nahe und gleich zu sein,
um ihn wirklich zu verstehen, seine Freuden, seine Leiden, seine Hoffnungen und Enttäuschungen.
Im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu hat er den Menschen gezeigt, wie ein vollkommen menschliches Leben aussieht
und ihn eingeladen, ihm nachzufolgen.
In der Auferstehung Jesu hat Gott das Ziel des Lebens gezeigt –
die Erlösung aus den irdischen Begrenzungen
in die göttliche Klarheit der Ewigkeit
und der Heimkehr in den göttlichen Schoß.
Mit der Menschwerdung hat sich Gott zu uns Menschen erniedrigt und den Menschen aus dem irdischen Staub zu sich erhöht.
Der Heilige Geist
Die zeitliche körperliche Anwesenheit Gottes als Mensch auf dieser Erde ist begrenzt.
Die Evangelien erzählen das in der Geschichte der Himmelfahrt Jesu.
Aber er lässt die Menschen nicht mehr allein.
Er ergießt sich als Heiliger Geist über die Menschheit
und durchbricht alle Mauern und Grenzen, Sprachbarrieren, kulturelle und nationale Abgrenzungen.
Und da gibt es dann keine Juden oder Griechen mehr,
keine Sklaven oder Freien, keine Männer oder Frauen,
denn alle sind eins in Gott.
Er verbindet und tröstet, versöhnt, schafft Gemeinschaft und stiftet Frieden unter den Menschen.
Liebe Schwestern und Brüder,
alle drei Wesen – und wahrscheinlich sind es noch viel mehr – gehören zur Gottheit, die wir anbeten.
Unser kleiner menschlicher Verstand versucht in hilflosen Denkansätzen und Konstruktionen, diesem Gott nahe zu kommen.
Die Trinität ist dafür eine mögliche Form –
mir eröffnet sie einen kleinen Zugang zu dem Unbegreiflichem.
Diese Konstruktion verkörpert für mich die Universalität des christlichen Glaubens.
Und ich meine damit nicht eine kolonialistische, imperialistische und ausgrenzende Theologie,
sondern eine innere Haltung, die jegliche Existenz –
menschlicher, tierischer oder pflanzlicher Natur –
aus dem einem göttlichen Wort und Willen erkennt,
eine Sicht der Welt, die offen und inklusiv die großartige Verschiedenartigkeit dieser Welt demütig bestaunt, behütet und pflegt.
Und nun komme ich noch einmal zu der Grußformel, die Paulus an die Korinther am Ende seines Briefes richtet.
Zuletzt, liebe Brüder und Schwestern, freut euch ……… Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Die Gnade, die Liebe und die Gemeinschaft fügt Paulus allen drei Substanzen der Trinität zu.
Die Gnade ist Jesus, dem Sohn beigefügt.
Die Gnade hat viele Bedeutungen:
Barmherzigkeit, Großmut, Gunst, Wohlwollen, Heilung –
und nicht zuletzt: Vergebung
Wir kennen das Sprichwort: Gnade vor Recht walten lassen.
Sie wird dem Versöhnungswerk Jesu Christi zugeschrieben,
der die Schuld, das Böse, die Sünde des Menschen überwindet mit Barmherzigkeit, mit Gnade.
Nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn,
sondern innehalten, den Kreislauf der Gewalt stoppen
und neue Perspektiven eröffnen.
Nicht Hass und Vergeltung, sondern Feindesliebe und die Überwindung des Bösen mit Gutem.
Die Gnade ist das Zentrum der christlichen Botschaft
und zugleich der schwierigste Teil für uns Menschen.
Die Liebe ist Gott, dem Vater beigefügt.
Mit Liebe verbinden wir viele Begriffe:
Zuneigung, Wertschätzung, Verbundenheit, Anerkennung, Menschenliebe oder Menschlichkeit,
die geschwisterliche Liebe, die sexuelle Liebe u.v.a.m.
Die Gottesliebe ist die Grundlage und Voraussetzung allen Lebens in dieser Welt.
Es ist die Bejahung der Schöpfung und die Verbundenheit mit ihr,
die sich im letzten Satz der Schöpfungsgeschichte ausdrückt:
„Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte ,und siehe, es war sehr gut“. (1. Mose 1,30)
Aus der Liebe Gottes entsteht das Leben,
sie behütet und pflegt, schützt und ernährt
und ist die Quelle aller lebensfördernden Strukturen.
Ihr Gegenspieler ist der Hass –
die Verneinung, die Zerstörung, die Gewalt und das Töten.
Und nun die Gemeinschaft.
Sie ist das Werk des Heiligen Geistes.
Unter Gemeinschaften gibt es auch die verschiedensten Begriffe: Blutgemeinschaften, Volksgemeinschaften, Schicksalsgemeinschaften, Lebensgemeinschaften, Interessengemeinschaften udglm.
Alle diese Begriffe beinhalten neben ihrem bergenden Charakter
auch einen abgrenzenden und ausgrenzenden Zweck.
Die Gemeinschaft aber, die der Heilige Geist erwirkt,
überwindet das Trennende und Ausschließende.
Die Kompassnadel dieser Gemeinschaft orientiert sich
an der Gnade Jesu Christi und an der Liebe Gottes
und überwindet so die Furcht vor dem Fremden
und dem Drang nach der Selbstbezogenheit.
Liebe Schwestern und Brüder,
solch ein Gruß an eine Gemeinde, die Paulus so viel Tränen und Schmerzen verursacht hat,
ist schon erstaunlich.
Es gab nach der Gründung der Gemeinde in Korinth
so einige Missionare, die die Mitglieder gegen Paulus aufgehetzt und gespaltet haben.
In dem Brief spricht Paulus diese Zerwürfnisse an
und es ist den Zeilen zu entnehmen,
wie tief verletzt er ist und wie sehr er um diese Gemeinde ringt.
Am Ende aber bietet er ihnen den Friedensgruß an –
eine großartige Geste, die mich zutiefst beeindruckt.
Lassen auch wir uns berühren von diesem Gruß
und geben wir ihn weiter in diese unsere Welt,
die so friedlos und unruhig ist,
damit sich die Liebe Gottes und sein Friede verwirklichen können.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.“
Amen.