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Predigt · 2. Sonntag nach Epiphanias · 19. 1. 2025 · Ruth Misselwitz

Posted on Jan. 22, 2025 in Predigten

Liebe Schwestern und Brüder,

für den heutigen 2. Sonntag nach Epiphanias ist ein Predigttext vorgeschlagen, der dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom entnommen ist.

Das Entstehungsjahr des Römerbriefes wird von den Bibelwissenschaftlern in das Jahr 56 nach Christus geschätzt.

Paulus befindet sich gerade in der Gemeinde in Korinth

und will den Schwestern und Brüdern in Rom seinen Besuch ankündigen. Noch nie zuvor war er in Rom und kennt bis auf einige wenige die Gemeinde noch nicht.

Erstaunlich für mich war, dass im Jahr 56 n.Chr. – also ca 25 Jahre nach dem Leben und Sterben Jesu –

die christliche Botschaft schon bis nach Rom vorgedrungen ist.

Auch gab es viele Gemeinden, die nicht von Paulus, sondern von anderen Missionaren gegründet wurden –

so auch die Gemeinde in Rom.

Die Botschaft von dem Sohn Gottes, dem Retter der Welt aus dem Volke Israel, verbreitete sich in rasanter Geschwindigkeit im römischen Reich aus.

Wir fragen heute nach den Gründen und werden sicher nicht nur eine Antwort darauf finden.

Ich versuche einmal 3 Antworten:

Es war die Botschaft von dem Frieden Gottes, der in Jesus alle Völker, Schichten und Geschlechter vereint.

Alle Unterschiede sind in der Taufe aufgehoben, es gibt kein oben und unten, kein reich und arm, groß und klein.

Der einzige, der oben steht ist Gott.

Die zweite wichtige Botschaft ist: Gott hat sich mit den Menschen versöhnt, so ist auch die Versöhnung zwischen den Menschen möglich.

Und die dritte: Die Liebe Gottes zu den Menschen und seiner Schöpfung ist größer als sein Zorn über Verfehlungen, Irrwege und Bosheiten der Menschen. Er gibt die Menschheit nicht auf.

Angesichts der Gewaltherrschaft des römischen Reiches,

in der die Völker Unterdrückung, Machtmissbrauch, Korruption und Misshandlung erfuhren,

bekam die christliche Botschaft vom Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen, eine große Beliebtheit und Anhängerschaft.

Insbesondere die sogenannten „heidenchristlichen“ Gemeinden,

die sich überwiegend aus Griechen und Römern zusammensetzten, strahlten eine große Anziehungskraft auf Menschen aus,

die sich um Menschenwürde und um Gerechtigkeit einsetzten.

Das Leben innerhalb dieser Gemeinden sollte schon im Hier und Jetzt die Gegenwart des Reiches Gottes erlebbar machen.

So zählt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Gemeinden in Rom neben vielen wichtigen theologischen Grundsätzen

auch Hinweise zum Miteinander im alltäglichen Leben auf.

so schreibt er im 12. Kapitel:

9Eure Liebe sei ohne Hintergedanken. Nennt das Böse beim Namen und werft euch dem Guten in die Arme. 10Liebt einander von Herzen wie Geschwister und übertrefft euch gegenseitig darin, einander Achtung zu erweisen. 11Haltet euch mit eurer Begeisterung nicht zurück; lasst euch von der °Geistkraft entzünden und setzt euch für die Lebendige ein. 12Freut euch, weil ihr Hoffnung habt. Haltet durch, wenn ihr in Not seid, und hört nicht auf zu beten. 13Teilt das, was ihr habt, mit den °heiligen Geschwistern, wenn sie in Not sind. Seid jederzeit gastfreundlich. 14Segnet die, die euch verfolgen, setzt auf das Gute in ihnen und verflucht sie nicht. 15Freut euch mit den Glücklichen und weint mit den Traurigen. 16Zieht alle an einem Strang und richtet euch dabei nicht an den Mächtigen aus, sondern lasst euch zu den Erniedrigten ziehen. Bildet euch nicht zu viel auf eure eigene Klugheit ein.  (Bibel in gerechter Sprache)

Liebe Schwestern und Brüder,

bei der Vorbereitung dieser Predigt habe ich viele Auslegungen gelesen, in denen sich einige Verfasser geärgert haben über die moralischen Vorhaltungen und Regeln, die uns Paulus da zumutet.

Ich konnte diesen Ärger überhaupt nicht teilen – im Gegenteil –

ich fand es sehr erfrischend mal ein paar klare Worte zum Miteinander in einer christlichen Gemeinschaft zu hören.

In einer Zeit, in der vieles so belanglos und gleichgültig ist,

der Umgang miteinander viel an Würde und Anstand verloren hat,

die Freiheit eines einzelnen immer über die Gemeinschaft gestellt wird,

der Individualismus im Privaten wie im Gesellschaftlichen das höchste Gut zu sein scheint,

Stärke und Ellenbogen die einzige Garantie für ein Überleben gepriesen wird,

sind solche Töne Balsam für meine Seele.

Eure Liebe sei ohne Hintergedanken. Nennt das Böse beim Namen und werft euch dem Guten in die Arme. 10Liebt einander von Herzen wie Geschwister

Liebe Schwestern und Brüder, auch wenn wir feststellen, dass wir hier in der Gemeinde oder auch in unserem privaten Bereich noch so manche Lücken in dieser Beziehung zu beklagen haben –

sie sind doch deswegen nicht weniger wahr,

wir können uns das doch mal anhören.

Übertrefft euch gegenseitig darin, einander Achtung zu erweisen.

11Haltet euch mit eurer Begeisterung nicht zurück; lasst euch von der °Geistkraft entzünden und setzt euch für die Lebendige ein.

Stellt euch das mal vor: Solch ein Verhalten verändert doch schlagartig die Atmosphäre in einem Raum, in dem leidenschaftlich aus unterschiedlichen Richtungen gestritten wird.

Ja, wir können und dürfen unterschiedlicher Meinung sein,

wir dürfen uns von einer Idee entzünden lassen –

die Achtung voreinander aber soll jederzeit gewahrt sein,

konträre Meinungen in geschwisterlicher Liebe –

das ist doch spannend.

12Freut euch, weil ihr Hoffnung habt. Haltet durch, wenn ihr in Not seid, und hört nicht auf zu beten.

Die Fröhlichkeit steht hier an erster Stelle, dann kommt die Geduld in der Not und dann das Gebet.

Bei aller Trübsal in der Welt dürfen wir fröhlich sein, weil wir Hoffnung haben, Hoffnung auf die Rettung der Welt und die Gegenwart Gottes.

Das Gebet ist die ständige Verbindung mit unserer Kraftquelle,

das Gebet zeigt uns den Weg von uns zu Gott.

13Teilt das, was ihr habt, mit den °heiligen Geschwistern, wenn sie in Not sind. 

Liebe Schwestern und Brüder, das Teilen mit den Geschwistern, die in Not sind, ist auch ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Gemeinschaft. Allzu große soziale Unterschiede vergiften das Miteinander.

Schauen wir uns um, wer unter uns bedürftig ist.

Seid jederzeit gastfreundlich.

Das griechische Wort φιλοξενία, das wir mit Gastfreundschaft übersetzten, heißt wörtlich übersetzt:  Fremdenfreundlichkeit oder Fremdenliebe.

Zur Zeit des Apostel Paulus gab es noch längst nicht solch ein Hotel- und Gaststättenbetrieb wie wir das heute kennen.

Da war für die Umherreisenden eine Unterkunft bei Bekannten oder Freunden überlebenswichtig. So wurden Nachrichten und Beziehungen übertragen und gepflegt und ein internationales Netz aufgebaut.

Lassen wir uns nicht durch populistische oder tagespolitische Meinungen diese Fremdenfreundlichkeit ausreden,

sie gehört zu den wichtigen Grundlagen einer friedlichen Welt.

14Segnet die, die euch verfolgen, setzt auf das Gute in ihnen und verflucht sie nicht.

Wenn Paulus das sagt, dann weiß er wovon er spricht.

Er hatte eine Menge Gegner und Verfolger innerhalb und außerhalb der Gemeinden.

Und dennoch ruft er nicht zur Abgrenzung und Ausgrenzung,

oder gar zur Verurteilung seiner Gegner auf –

nein, er setzt auf das Gute in ihnen –

das heißt: in jedem Menschen ist ein guter Anteil –

dieser muss entdeckt und gestärkt werden.

Durch den Segen wird das Gute freigelegt.

15Freut euch mit den Glücklichen und weint mit den Traurigen.

Das, liebe Schwestern und Brüder, erlebe ich auch hier in unserer Gemeinde. Ich weiß von so Vielen, die sich um kranke, traurige und hilfsbedürftige Menschen kümmern,

ich weiß auch von den vielen fröhlichen Festen, die wir hier in der Kirche gemeinsam feiern.

Freud und Leid haben hier ihren Platz.

16Zieht alle an einem Strang und richtet euch dabei nicht an den Mächtigen aus, sondern lasst euch zu den Erniedrigten ziehen.

Das ist eine Ermahnung, sein Fähnlein nicht in den Wind der jeweiligen machtpolitischen Stimmungen zu hängen.

Das erleben wir nach der letzten Präsidentenwahl in den USA recht dramatisch.

Viele Dämme und Tabus, die zuvor felsenfest schienen, brechen in

einer rasanten Geschwindigkeit.

So soll es aber nicht bei uns sein.

Wir sollen an einem Strang ziehen, das heißt, uns nach der Botschaft Jesu richten – und das bedeutet, auf die Erniedrigten schauen, ihnen zu ihrem Recht verhelfen,

ihre Menschenwürde verteidigen und für Recht und Gerechtigkeit sorgen.

Liebe Schwestern und Brüder,

und nun der letzte Satz in unserem Text:

Bildet euch nicht zu viel auf eure eigene Klugheit ein.

Paulus ist damit noch nicht am Ende, er führt noch eine Reihe von bemerkenswerten und guten Verhaltensregeln auf, die wir uns aber für ein nächstes mal aufheben.

Für heute ist es erst mal genug.

Liebe Schwestern und Brüder, das sind doch alles wunderbare Umgangsformen, die ein friedliches und harmonisches Miteinander gewährleisten würden.

Wir sehen die Realität und stellen auf der einen Seite fest,

dass wir oftmals weit davon entfernt sind,

auf der anderen aber entdecken wir überrascht,

dass wir das genauso schon erleben hier und jetzt.

Den Apostel Paulus treibt es um in der Zuversicht,

dass wir die Gegenwart des Reiches Gottes in der Gemeinschaft der Christinnen und Christen schon jetzt erleben dürfen.

An unserer Glaubwürdigkeit oder aber auch Unglaubwürdigkeit wird die Welt erkennen, wie ernst es uns ist.

Gebe Gott uns die Kraft, die Hoffnung, den Glauben und die Zuversicht, das zu leben, was er uns zugedacht hat.

Amen. 

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