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Predigt im Familiengottesdienst· 1. Advent · 27. November 2022 · Pfr.Michael Hufen

Posted on Nov 27, 2022 in Predigten

Licht, das in die Welt gekommen, //  Sonne voller Glanz und Pracht, Morgenstern, aus Gott entglommen, // treib hinweg die alte Nacht! Zieh in deinen Wunderschein // bald die ganze Welt hinein!

Heile die zerbrochnen Herzen, // baue Dir Jerusalem 
und verbinde unsre Schmerzen, // denn so ist Dir’s angenehm.  HERR, tu auf des Wortes Tür, //  rufe allen: Kommt zu mir!

Komm, erquick auch unsre Seelen, // mach die Augen hell und klar, dass wir Dich zum Lohn erwählen, // Dich umfassen ganz und gar. Ja, lass Deinen Himmelsschein unsers Fußes Leuchte sein!

Ewald Rudolf Stier

Liebe Gemeinde!

Die Welt ist manchmal ein ein dunkler Ort, glaube ich. Nicht nur als dunkler Königssaal der auf LIcht wartet, wie gerade im Spiel der 1.Klasse und auch nicht nur, weil ich Herbst und Winter nicht so sehr mag wie Frühling und Sommer. Zu nass, zu kalt, zu grau und zu dunkel ist mir seine Atmosphäre. Und auch nicht nur, weil in diesem Jahr alles noch trüber, dunkler und nicht nur sozial kälter ist als sonst, sondern es in vielen Wohnungen tatsächlich kalt bleiben muss.. 

Nein, ich glaube, das war schon immer so. Licht und Finsternis, hell und dunkel waren schon immer auch Bilder für Lebenserfahrungen und Weltdeutungen. 

Der Schöpfungsbericht in der Bibel erzählt: 

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer und es war finster auf der Tiefe. Und Gott sprach: es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis. (1.Mose,1)

Gott schied das Licht von der Finsternis, aber er zerstörte die Finsternis nicht. Deshalb denke ich, dass alles, was ist, diese uralte Dunkelheit des Anfangs noch in sich trägt. 

Auch in dem gerade gesehenen und gehörten Stück der Kinder aus der 1.Klasse ist das Dunkel ja nicht gänzlich weg. Vom Dunkel abgewandt mit Blick zum Licht ist der Raum erfüllt vom Lichterglanz der Kerze. Wenn wir Menschen uns aber abwenden, dem Licht unsere Rücken zudrehen, verliert sich unser Blick im Dunkel des Raumes, in den Finsternissen der Welt.

Gott möchte nicht, dass wir Menschen im Finstern, in den Dunkelheiten unserer Herzen bleiben

Licht, das in die Welt gekommen, / Sonne voller Glanz und Pracht, / Morgenstern, aus Gott entglommen, / treib hinweg die alte Nacht, / zieh in deinen Wunderschein / bald die ganze Welt hinein.

So ganz ohne Lichtbringer wollte uns Gott dann doch nicht lassen. Er selbst verließ den lichten Himmel, um aus reiner Liebe mit seinen Menschen als Mensch neu zu beginnen. Nicht in den hellen Regierungsvierteln voller wichtiger Leute oder den Konzernzentralen und Kommandobunkern sondern in einem einsamen dunklen Stall inmitten ein paar armseliger Hirten. 

Im Internet gibt es eine aktuelle Satellitenaufnahme: Osteuropas bei Nacht. 

In der Mitte ein großer dunkler Fleck, kaum Lichter – die Ukraine.

Ein Ort der Dunkelheit, der Zerstörung, des Leids und der Trauer.

Ein Ort, ein Land wo so dringend Licht hingehört, Licht des Friedens und der Vergebung, Helligkeit wenn sich der Pulverdampf lichtet und Stille, wenn die Waffen und die Kriegstreiber auf allen Seiten endlich schweigen. Ein Land, das so angefüllt wird mit den Dunkelheiten der Waffen und des Hasses.

Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“ 

So heißt es im 2. Petrusbrief. Hier wird eine Hoffnung laut, die über Jahrhunderte hinweg bis in unsere moderne Zeit hinein getragen hat. 

Licht, das in die Welt gekommen, / Sonne voller Glanz und Pracht, / Morgenstern, aus Gott entglommen, / treib hinweg die alte Nacht, / zieh in deinen Wunderschein / bald die ganze Welt hinein. 

Dieser Choral stammt von Ewald Rudolf Stier, geboren im Jahr 1800 in Schlesien, Pfarrer in Barmen, Privatgelehrter in Wittenberg, Superintendent in Eisleben, dort 1862 gestorben. In seine Jugendzeit fielen die Befreiungskriege gegen die französische Besatzung und wahrscheinlich hat er davon einiges mitbekommen. Auch seine Hoffnung zielt nicht auf weltliche Lichtgestalten, In-Ordnung-Bringer oder moralisch Überlegene, die bereit sind, ihre Wertevorstellungen mit Gewalt in alle Welt hinauszutragen. Seine Knie möchte er nur vor einem beugen, sein Herz will sich nur einem öffnen: dem Morgenstern, Jesus Christus. 

Gib dem Wort, das von dir zeuget, einen allgewalt’gen Lauf, dass noch manches Knie sich beuget, sich noch manches Herz tut auf, eh die Zeit erfüllet ist, wo du richtest, Jesu Christ. 

Ich finde es erstaunlich: dieses Lied ist etwa 200 Jahre alt und dennoch von hoher Aktualität. Gerade zankt man sich in Berlin über die Frage, ob am Schloß ein Bibelvers steh darf, nach dem die Herrscher der Welt vor Gott ihre Knie beugen sollen? Wie absurd dieser Streit, der so gar nichts mit christlichem Machtanspruch, aber so viel mit Demut auch der vermeintlich Mächtigen zu tun hat!

Der Choral ist aktuell auch in einem Europa, das immer mehr von Grenzen in den Köpfen und Zäunen um die nationalstaatlichen Eigeninteressen bestimmt wird, einem Europa, dem eine neue innere Eiszeit droht, ja die inzwischen kaum noch zu verhindern ist. 

Wo du sprichst, da muß zergehen, / was der starre Frost gebaut; denn in deines Geistes Wehen / wird es linde, schmilzt und taut. / Herr, tu auf des Wortes Tür, / ruf die Menschen all zu dir

Vielleicht wäre die Welt doch kein so dunkler Ort, wenn wir dem Licht des Morgensterns mehr zutrauen würden oder auch der Vision des Jesus von Nazareth von einer geeinten, friedlichen und gerechten Welt. 

Es sei keine Sprach noch Rede, / da man nicht die Stimme hört, / und kein Land so fern und öde, / wo nicht dein Gesetz sie lehrt. / Laß den hellen Freudenschall / siegreich ausgehn überall. 

Vielleicht könnte die Welt sogar zu einem freundlichen Ort werden, zu einer Heimat für alle, wenn das Licht des Morgensterns unsere Seelen stärkt, unseren Verstand schärft und unsere Schritte leitet: 

Komm, erquick auch unsre Seelen, / mach die Augen hell und klar, / dass wir dich zum Lohn erwählen; / vor den Argen uns bewahr; / ja, lass deinen Himmelsschein / unsres Fußes Leuchte sein. 

Das wünsche ich uns allen in dieser Advents- und erst recht in der Weihnachtszeit und darüber hinaus alle Tage.             AMEN