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Predigt · 7. Februar 2021 · Pastor Dr. Thies Gundlach

Posted on Feb 7, 2021 in Predigten

Predigt zu Lk 8

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn JC,Amen

Liebe Gemeinde,

heute möchte ich Ihnen im Grunde nur einen einzigen Gedanken entfalten, der nicht einmal aus der Bibel stammt, sondern von einem Theologieprofessor unserer Tage, Eberhard Jüngel:

der Satz lautet: „Gottesherrschaft kommt im Gleichnis als Gleichnis zur Sprache“.

Und unser Gleichnis aus dem Lukasevangelium macht dies in wunderbar kompakter Weise sichtbar.

Aber der Reihe nach!

Zuerst: das Gleichnis als Gleichnis!

Die Geschichte vom Sämann ist ja eigentlich recht schlicht, allerdings doch mit einem erheblichen Schönheitsfehler, jedenfalls für alle, die noch eine Ahnung haben, wie das mit dem Säen geht. Denn dann muss man sagen: das ist schon ein bemerkenswert unfähiger Sämann! Wer so wenig darauf achtet, wohin er seinen Samen streut, der wird nicht lange davon satt. Willkürliches Wegwerfen von Samenkörner, mal auf Wege, mal unter Felsen, mal unter Dornen, ich bitte Sie, da ruht kein Segen drauf, das ist schon pure Unfähigkeit. Oder?

Da die Bibelgeschichten der bäuerlichen Welt Galiläas entstammen, ist Unkenntnis oder Unfähigkeit wenig wahrscheinlich. Man kann davon ausgehen, dass das Gleichnis es so erzählen will. Es verfolgt eine Intention, es setzt eine Pointe. Das ist das Erste, was man von Gleichnissen wissen muss: Sie sind keine Berichte über Landwirtschaft oder Protokolle eines tatsächlichen Ereignisses, sondern Erzählungen mit Absicht. Gleichnisse sind Ver-Dichtung, geistliche Kompositionen, wie ein Musikstück – nur eben in Sprache. Und die Genialität der Gleichnisse ist ihre Konzentration auf einige, wenige, kurze Striche, sozusagen Skizzen, Federzeichnungen, kein ausgemaltes Bild, keine Photographie. Schlechte Gleichnisse sind wie schlechte Witze: wenn man zu lange auf die Pointe warten muss oder die Pointe unklar bleibt, verliert man das Interesse.

Gleichnisse wollen so erzählt werden, sie verfolgen eine Intention, doch damit sind wir beim zweiten Prinzip von Gleichnissen: Was ist denn die Intention? Was soll erzählt werden? Was sollen wir Hörer/innen erkennen?

Die Hermeneutik, die Kunst des Verstehens lehrt uns, dass es bei jedem Gleichnis ein „tertius comparationis“ gibt, einen dritten Vergleichspunkt. Das meint, dass man zwischen dem Gleichnis (1. Punkt) und der Realität, in der man als Hörer lebt (2. Punkt) einen dritten, gemeinsamen Punkt finden muss, eben den tertius comparationen.

Um das mal anschaulich zu machen, mache ich es bei diesem Gleichnis vom Sämann absichtlich falsch: Der Vergleichspunkt soll die veränderte Landwirtschaft damals und heute sein: damals unfähiger Sämann, heute tolle Maschinen. Das ist natürlich Unsinn, das will das Gleichnis bestimmt nicht erzählen. Aber was dann?

Natürlich spricht das Gleichnis von Gott und seiner Gegenwart in die Welt. Durch die mitgelieferte Auslegung sind wir auf die Spur gesetzt: es geht um das Wort Gottes, um die Verkündigung, um das Aufnehmen der Botschaft des Evangeliums usw. aber was genau soll gesagt werden?

Ich mache Ihnen drei Auslegungsangebote, die Sie vermutlich alle irgendwie schon kennen oder gehört haben:

1. tertius: Gott ist verschwenderisch! Der Sämann wirft den Samen unterschiedslos auf das Feld, er kontrolliert nicht das An­baugebiet, ob Weg, Steine oder Disteln, das ist ihm egal, jeder Boden bekommt seinen Teil. Dieser Sämann ist nicht unfähig, sondern großzügig! Er prüft eben nicht zuerst die Würdigkeit, bevor er einen Samenkern opfert, er schaut nicht darauf, zu welchem Typ von Erde die Zuhörer gehören, sondern er tut, was seines Amtes ist: Den Samen auf das Land streuen, wohl wissend, daß nicht alles aufgehen wird. Das ist doch eigentlich das Erstaun­liche an diesem Gleichnis: Das es einen landwirtschaftlich katastrophal handelnden Saemann vorstellt, aber gesagt werden soll: So ist Gott und deswegen ist dies ein Gleichnis des Himmelsreiches: Gott prüft nicht erst, ob sich die Mühe lohnt, ob ein Rabe herumfliegt, ob der Boden wirklich tief genug ist, er verschenkt den Samen. Gott hat keine Krämerseele, jeder hat jeden Morgen neu die Chance, zum Hörer zu werden.

2. tertius: Das Wort Gottes ist nicht all­mächtig, obwohl es von dem all­mächtigen Gott kommt und redet. Das Gleichnis ist auch ein Gleichnis für Toleranz und Herzensweite! Gottes Wort hat Grenzen der Erreichbarkeit, und wir sollen nicht glauben, nur weil wir vom allmächtigen Gott sprechen, findet auch das Hören unendlich Anerkennung. Das liegt im Kern an Gott selbst: Sein Wort bittet, lockt, will überzeugen und werben, aber niemals zwingen oder nötigen, 100 % Zustimmung kann man vielleicht mit Gewalt und Schwert errei­chen, nicht aber mit dem Wort Gottes. Gott hat die Welt so eingerichtet, dass er nur freiwillige Zuhörer haben will. Der Theologe Eberhard Jüngel hat einmal formuliert: Gott beansprucht lediglich die „Autorität des bittenden Christus“ und dies ist eine Warnung vor einem Ver­kündigungs-Allmachts­wahn. Daß es diese vier Felder gibt und dass der Sämann sie akzeptiert, ist ein Gleichnis für Toleranz und Barmherzigkeit des Himmelsreiches.

3. tertius: Gott geht nicht nur verschwenderisch mit dem Samen um, er bleibt auch nicht nur tolerant in seinen Erwartungen, er schenkt auch hundertfältig Frucht – wenn es denn ein guter Boden ist. Dass dieses eine Viertel, dieser kleine Rest an guten Boden hundertfältig Frucht bringt, ist eine beachtliche Verheißung. Dieser gute Boden trägt so sensationell viele Früchte, dass es für die anderen drei Felder auch reicht. Wenn Gottes Wort uns berührt und erreicht, dann geht davon ein gewaltiger Wachstumsprozess aus, dann wachsen die Früchte ohne Punkt und Komma.

Liebe Gemeinde,

was meinen Sie, was will das Gleichnis sagen, was ist der richtige Vergleichspunkt (tertius comparationis)? Oder gibt es den Zielpunkt des Gleichnisses gar nicht? Wie hieß der Satz noch:

Gottesherrschaft kommt im Gleichnis als Gleichnis zur Sprache“.

Gott ist laut Gleichnis großzügig, tolerant und wirksam – aber Gott ist noch viel mehr, auch dieses Gleichnis nicht mit den drei Deutungen keineswegs abgeschlossen, denn wenn Gottes Himmelreich in der Sprache eines Gleichnisses zur Welt kommt, dann ist er mehr als die Intentionen die wir erkennen. Gott bleibt ein Gleichnis im Gleichnis.

Wir können uns Gott nie direkt nähern, wir können nur in Bildern, Geschichten, Symbolen oder eben Gleichnissen von hm reden, es gibt keinen Gott jenseits unserer Sprache und doch wissen wir, dass er immer noch viel mehr und anders ist als unsere Sprache. Deswegen ist Gottes Gegenwart in unserer Welt ein Geheimnis hinter allen Gleichnissen, er ist eine verborgene, unerschliessbare Dimension, der wir uns in Bildern nähern können, ohne sie je zu erfassen. „Gottesherrschaft kommt im Gleichnis als Gleichnis zur Sprache“, so kommt sie zu uns. Und deswegen ist der Glaube auch die richtige Haltung zu diesem Geheimnis Gottes und die Erklärung des Gleichnisses vom Sämann eine Art Rationalisierung des Gleichnisses. Aber das ist jetzt eine weitere Predigt und davon vrschone ich Sie heute. Amen.