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Predigt · Heiligabend · 24. Dezember 2020 · open air · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Dez 24, 2020 in Predigten

Liebe Gemeinde,

in diesem Jahr hat uns der Weg zur Krippe nicht in die schön erleuchtete und warme Kirche geführt.

In diesem Jahr war der Weg zum Gottesdienst überhaupt schwierig. Zumindest deutlich herausfordernder als in den vergangenen Jahren. Nicht nur die Vorbereitung und Organisation für uns alle, die wir hier zusammen gearbeitet haben. Nein, jede und jeder von uns war herausgefordert: Gehe ich hin? Kann ich das verantworten. Ist das nicht fürchterlich leichtsinnig. Wäre es nicht besser, wir alle blieben zu Hause?

Schön, dass Sie und das ihr alle da seid.

Eine Weihnachtspredigt in diesem Jahr, wie kann die klingen?

Wie erreicht uns die gute Botschaft von der Geburt Jesu nach den Monaten mit Corona, im Blick auf die vor uns liegende Zeit?

Wir sind unruhig, täglich prasseln Meldungen auf uns ein, die mit fast apokalyptischen Worten die Situation und den Ausblick beschreiben.

Wir sind voller Angst und Sorge und auch viele voller Trauer – um Verstorbene, ja und auch um das Leben, das nie wieder so sein wird wie vor Corona.

All das ist in uns, wir schleppen es mit uns herum und manchmal scheint es so zu sein, als ob das Licht, dass uns von der Krippe entgegenstrahlt in diesem Jahr nicht so hell leuchtet.

Dies hier ist die dritte Predigt, die ich für diesen Openair Gottesdienst geschrieben habe. Gestern früh habe ich sie geschrieben, im Ohr ein Lied, das sie wohl alle kennen und das wir üblicherweise in der Altjahresandacht singen „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Dietrich Bonhoeffer hat es in seinem Weihnachtsbrief aus dem Gefängnis an seine Braut Maria Wedemeyer mitgeschickt. Er schrieb ihr dazu:

„19. Dezember 1944. Mein liebste Maria, ich bin so froh, dass ich Dir zu Weihnachten schreiben kann. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick alleine und verlassen gefühlt. Du, die Eltern, Ihr alle, Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes, unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Du darfst also nicht denken, ich sei unglücklich.“

Und dann schreibt er ganz zum Schluss diese Gedichtzeilen: „Von guten Mächten treu und still umgeben“ – und meinte er ausdrücklich als Weihnachtswunsch an seine Lieben daheim.

Das mag alles lange her sein, aber es geht einem sehr nach. Wie kommt es, dass dieses Gedicht, das wir so gern als Lied singen, uns so wichtig geworden ist? Wie kommt es, dass man es auf Postkarten und Kalenderblättern zuhauf findet? Was ist das für ein Gedicht?

Gewiss, es ist in einer sehr ernsten Situation geschrieben, und wir lesen und singen es auch in Erinnerung daran, dass Dietrich Bonhoeffer mit einer unglaublichen Gewissheit seinen Weg gegangen ist.

Vielleicht ist es das, was uns dieses Lied so lieb macht und ernst scheint. Es strahlt trotz oder mitten in größter menschlicher Not eine Ruhe und Gelassenheit und Gewissheit aus, wie wir sie uns auch wünschen, nicht nur heute und morgen sondern für die kommende Zeit.

Dabei blendet Bonhoeffer nichts aus. Zuerst spricht er von guten Mächten, vom Behütet- und Getröstetsein, dass es einem fast schon zu viel wird, aber dann kommt auch das Unruhige, das Beängstigende zur Sprache: „Noch will das alte unsre Herzen quälen…ach,. Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast.“

Ja, er geht noch einen Schritt weiter und nimmt sogar den „schweren Kelch, den

bittern“ aus Gottes „guter und geliebter Hand“. Das mag uns fremd erscheinen. Aber es ist die Haltung eines Menschen, der das Leidvolle auch annimmt, ja: von Gott annimmt. So schwer es ist.

Das hat mit Vertrauen in diese guten Mächte zu tun, von denen er spricht. Und dass uns das so anspricht, bedeutet auch, dass wir uns nach diesem Vertrauen und diesem Halt sehnen und es erbitten wollen, gerade jetzt.

Vertrauen und Halt finden – im kleinen Kind in der Krippe „daß ich dich möge für und für – in, bei und an mir tragen“ so haben wir es gerade zusammen gesungen.

Ich wünsche uns allen, dass wir die Kraft der guten Mächte spüren können. Ich wünsche uns, dass wir bei Belastung und Schmerz das Vertrauen nicht verlieren.

Ich wünsche uns, dass wir den Mut finden, fest zu stehen, wo es Standhaftigkeit braucht.

Das sind meine Wünsche für Weihnachten 2020.

Die letzte Strophe des Bonhoeffer-Liedes fasst alles noch einmal zusammen, mit unerhört einfachen fast schlichten Worten und doch eindringlich und klar:

„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Mit dieser Gewissheit können wir in dieses Weihnachtsfest und in die vor uns liegende Zeit gehen, auch wenn es uns nicht das bringen wird oder bringen kann, was wir erwarten oder uns wünschen.

Was das bedeutet, dass „Gott bei uns ist“, dass er in Jesus für uns Mensch geworden ist – das müssen wir vielleicht wieder ganz neu buchstabieren und lernen. Es kann ja nicht heißen, dass wir Gott nach unseren Vorstellungen und Wünschen dirigieren und uns dann wundern, wenn es nicht so kommt, wie gedacht.

Bonhoeffer nimmt aus Gottes Hand, was auch kommen mag.

Das ist das, was er tröstlich nennt.

Und genau das ist es, was wir brauchen, auch im neuen Jahr.

Von guten Mächten treu und still umgeben/ behütet und getröstet wunderbar/ so will ich diese Tage mit euch leben/ und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und

Sinne in Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn durch alle Zeiten hindurch bis in Ewigkeit.

Amen.