//

Predigt · Estomihi · 3. März 2019 · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Mrz 18, 2019 in Predigten

Predigtreihe Glaubensbekenntnis 3. Teil

Liebe Gemeinde


Herausforderungen des Glaubens


Was ist und was kann ein Glaubensbekenntnis eigentlich sein?
Ja, es ist ein Zeitdokument. Es atmet den Geist der Zeit, in der es
aufgeschrieben wurde, es gibt die in dieser Zeit prägenden
theologischen Konflikte wieder.
Also – wenn der Glaube angefochten, umstritten ist, setzen sich
Menschen hin und formulieren ihre Bekenntnisse – zur eigenen
Selbstvergewisserung und natürlich auch zur Abgrenzung
gegenüber den identifizierten Irrlehrern.
Diese Abgrenzung macht sehr viel der einenden Kraft der
Bekenntnisse aus: wir und die. Wir, die natürlich richtig glauben
und die anderen, die doch irgendwie auf Abwegen sind. Nun
sind die Bekenntnisse aber nicht nur stures Behaupten der
eigenen Rechtgläubigkeit oder blindes Festhalten am eigenen
Wahrheitsanspruch.
Sie sind immer das Ergebnis ernsthaften Ringens um eben diese
theologische Wahrheit gerade angesichts aktueller
theologischer und auch kirchenpolitischer Herausforderungen.
Sie sind nicht denkbar ohne ihre Rückbindung an die Heilige
Schrift und das Ringen, um eine angemessene Interpretation
von Gottes Wort.
Die unterschiedlichen Bekenntnisschriften der evangelischen
Kirche bauen aufeinander auf und konkretisieren und
akzentuieren in der jeweiligen Lage bestimmt Themen.
So sind die drei sogenannten altkirchlichen Bekenntnisse:
Apostolicum, Nicäno Konstaninopolitanum und das
Athanasianum eng miteinander verbunden und bilden den
Abschluss der altkirchlichen Bekenntnisbildung. Die
Bekenntnisschriften der Reformationszeit sind Ausdruck des
Ringens um Klarheit der reformatorischen Lehre und
Präzisierung der Erkenntnisse für alle Christen (Kleiner
Katechismus), Pfarrer und Gemeinden und die große Politik
(Augsburger Bekenntnis).

Martin Luther hatte schon in den ersten Jahren der Reformation
begonnen, die Gemeinden, die sich dem „neuen“ Glauben
angeschlossen haben zu visitieren. Mit den Ergebnissen dieser
Gemeindebesuche war er nicht zufrieden – zu wenig wussten
die Menschen und manchmal auch die Pfarrer über den Glauben
und die Bedeutung der einzelnen – er nennt sie – Hauptstücke
des Glaubens – Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser,
Abendmahl, Taufe und – wir haben es leider fast vergessen –
Beichte.
Um diesem Unwissen in Glaubensdingen abzuhelfen, schrieb er
den Katechismus als Lern- und Lebensbuch – zum
Auswendiglernen.
Bei Dietrich Bonhoeffer 400 Jahre später spielte dieses
Auswendiglernen in der Konfirmandenzeit eigentlich auch noch
eine wichtige Rolle. In seiner Konfirmationspredigt, die er 1938
in der Zionskirche hielt, sagt er seinen Konfirmanden aber:
„Gerade weil heute alles darauf ankommt, dass wir wirklich
Glauben halten, vergeht uns alle Lust zu großen Worten. Ob wir
glauben oder nicht, das wird sich zeigen; mit Beteuerungen ist da
gar nichts geholfen. … Große Beteuerungen, und mögen sie noch
so aufrichtig, noch so ernst sein, sind immer der Verleugnung am
nächsten.“


Es geht also nicht um Glauben haben, sondern um Glauben
halten.
Damit sind wir mitten im Thema des heutigen Sonntags
Estomihi.
Wer Jesus nachfolgt, hat ein Ziel vor Augen: Jerusalem –
Nachfolge – hinter Jesus hinauf nach Jerusalem. Wie wir es im
Evangelium gehört haben, ist dieser Weg in der Nachfolge Jesu
keine beschauliche Pilgerreise. Und wie schon seine Jünger
werden auch wir das nur schwer aushalten können. Petrus wird
scharf angefahren: Geh hinter mich Satan – als er Jesus von
seinen Plänen abhalten will.
Nachfolge heißt also, den eigenen Standort in enger Bindung an
Jesus zu suchen und zu ihm zu halten, ohne vor harten
Konsequenzen zurückzuschrecken oder sich für Jesus und sein
Wort zu schämen.


Bonhoeffer sagt das seinen Konfirmanden so:
„Euer Glaube ist noch schwach und unerprobt und ganz im
Anfang. Darum, wenn ihr nachher das Bekenntnis eures Glaubens
sprecht, so verlasst euch nicht auf euch selbst und auf all eure
guten Vorsätze und auf die Stärke eures Glaubens, sondern erlasst euch allein auf den, zu dem ihr euch bekennt, auf Gott
den Vater, auf Jesus Christus und auf den Heiligen Geist.“


So wie wir es vorhin im Psalm gemeinsam gelesen haben :
In deine Hände befehle ich meinen Geist
Nicht aus eigener Kraft und Vollkommenheit, sondern durch
Gottes Kraft – durch seinen Geist sollen und können wir als
Christen leben.
Wes Geistes Kinder wir sind – darauf kommt es an.
Wir haben es als Lesung aus dem 1.Korintherbrief gehört. Wir
sollen Kinder des Geistes der Liebe sein.
Ja, wir glauben an den Heiligen Geist.
Wir glauben an den Heiligen Geit der uns die Kraft der Liebe
Gottes zeigt und uns hilft aus ihr zu leben. Nur in der Liebe ist
Nachfolge Jesu möglich! Nicht in Macht und Herrlichkeit, wie es
Kirche seit 2000 Jahren auch versucht hat und immer noch
versucht, nicht durch eigene Leistung oder Talent. Paulus leitet
sein „Hohelied der Liebe“ mit folgendem Vers ein „Ich will euch
einen noch besseren Weg zeigen“ (1.Kor12,31) – ohne die Liebe
ist alles nutzlos, was wir unternehmen und uns damit auf dem
Weg der Nachfolge wähnen.


Der Text aus dem Buch des Propheten Amos zeigt uns nun,
worauf es beim Glauben auch noch ankommt: auf das sich
persönlich Herausgerufen Fühlen, das eigene Bekennen. Aus
dem Wir-Glauben, muss eine ICH – glaube werden. Glauben ist
eine ganz persönliche Entscheidung, die auch in schweren
Kämpfen in den absoluten Ausnahmesituationen des Lebens
immer wieder gewonnen werden muss. Zu wissen woran ich
glaube, worauf ich vertraue, was ich hoffe als Basis für das
eigene Leben – das ist die Herausforderung des Glaubens.
Amos weiß, was er nicht will, was er nicht mehr erträgt, was er
nicht mehr hören will! Und er weiß worauf er hofft „Es ströme
aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie
versiegender Bach“.

Wie das geschehen kann?
Wir bekennen, dass uns die Sünden vergeben sind. Wenn wir
das auch leben, eröffnen wir uns und allen Menschen schon hier
auf dieser Erde eine neue Lebensperspektive und eine neue
Qualität des menschlichen Zusammenlebens – dabei gestärkt
durch das Vertrauen auf die uns verheißene Auferstehung zur
himmlischen Herrlichkeit bei Gott.

Wenn so eine Lebenshaltung ein klares JA zu Gott ist, dann
gehört aber – so sagt es Bonhoeffer in seiner
Konfirmationspredigt – auch eine klares NEIN dazu:
„Zu diesem Ja zu Gott gehört aber ein ebenso klares Nein. Euer Ja
zu Gott fordert euer Nein zu allem Unrecht, zu allem Bösen, zu
aller Lüge, zu aller Bedrückung und Vergewaltigung der
Schwachen und Armen, zu aller Gottlosigkeit und Verhöhnung des
Heiligen.“


Das führt mich zum letzten Punkt meiner Predigt
Was ist denn nun eigentlich die Kirche an die wir glauben?
Mit Karl Barth gesprochen, dem Hauptautor des wichtigsten
evangelischen Bekenntnisses des 20.Jahrhunderts – der Barmer
theologischen Erklärung – hat sich Gott alle Menschen zu
Bundespartnern und Partnern seiner Liebe gemacht. Partner
stehen auf eigenen Füßen, sind freie Menschen und mündige
Geschöpfe, die aus dieser Freiheit heraus auf Gottes Liebe
antworten und so in dieser Welt zu Zeugen seiner Liebe
werden, ja wir Menschen werden sogar zu Mithelfern des
Versöhnungswerkes Gottes.
Die Gemeinschaft dieser Menschen – das ist Gemeinde – und
nichts anderes kann und soll Kirche sein. Die Kirche als
Gemeinschaft von Menschen, die in Wort und Tat in der Welt
darauf hinweisen, wozu Gott das Leben von Menschen frei
gemacht hat.
Christsein ist auf diese Gemeinschaft angewiesen – Glauben und
Gemeinde, dass gehört immer unbedingt zusammen, auch wenn
wir alle gerne die sogenannte protestantische Freiheit
hochhalten und z.B. Sonntags länger ausschlafen. Jeder ist in die
Gemeinde gerufen und aber auch zum Dienst in der Gemeinde
berufen, ohne Unterordnung unter eine Hierarchie oder
herrschaftsbegründende Ämter.
Wir sind also hier – um es mit einem Wort zu sagen, dass für
mich in meiner kirchlichen Sozialisation ein große Rolle gespielt
hat – wir sind hier als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft!
Lassen wir uns immer wieder ermutigen, die Kirche zu werden,
die partnerschaftlich von Gottes erwählender Liebe Zeugnis ablegt.

Amen