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Predigt · Trinitatis · 11. Juni 2017 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Jun 20, 2017 in Predigten

Jesaja 6 ,1-13

Liebe Schwestern und Brüder,
der 1. Sonntag nach Pfingsten heißt: Trinitatis –
auf deutsch: Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit.
Seit jeher haben Menschen versucht, sich ein Bild von Gott zu
machen,
Vorstellungen oder theologische Konstruktionen über Gott zu
entwickeln, um so dem Geheimnis Gott auf die Spur zu kommen.


Wir Christen versuchen in dem theologischen Konstrukt der Trinität,
Gott etwas näher zu kommen und ihn zu verstehen.
Dabei handelt es sich um die Aussage, dass Gott in den drei
Erscheinungsformen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes
sich den Menschen offenbart hat.


In den drei Artikeln unseres Glaubensbekenntnisses werden diese
drei göttlichen Wesensarten erklärt.
Der 1. Artikel handelt von Gott, dem Schöpfer der Welt und dem
Vater aller Menschen,
der 2. Artikel erzählt über die Menschwerdung Gottes in Jesus
Christus, über sein Leben und Sterben, seine Auferstehung und seine
Himmelfahrt,
und der 3. Artikel erzählt über seine Wiederkunft auf die Erde zu den
Menschen in Form des Heiligen Geistes und der Gründung seiner
Kirche.


Von Anfang an haben die Christen mit dieser Deutung nicht nur viel
Unverständnis sondern auch viel Ärger geerntet.
Das hoch theologische Konstrukt der Trinität blieb bis heute für viele
Christen – insbesondere den Laien – ein unverständliches und
geheimnisvolles Bild.
Den Vorwurf des Polytheismus mussten sie obendrein noch von den
Juden und den Muslimen hören, die in der Trinität die Universalität
des einen Gottes zerstört sahen, da man ja drei Götter anbetet: den
Vater, den Sohn Jesus und den Heiligen Geist.


Hoch komplizierte, philosophische und theologische Konstruktionen
haben nun die Kirchenväter entwickelt, um diesen Vorwurf zu
entkräften.
Ich werde sie damit nicht weiter belasten.


Am Ende aber müssen wir in jedem Falle feststellen, dass unser
kleiner menschlicher Verstand bei weitem nicht ausreicht,
um den unendlichen und endlichen,
den fernen und nahen,
den warmen und kühlen,
den verborgenen und den spürbaren Gott
auch nur im kleinsten zu verstehen.
„Du sollst dir kein Bildnis machen“ – so steht es schon in der Bibel.


Über den Kirchenvater Augustinus erzählt eine berühmte
mittelalterliche Legende, wie er spazieren geht und über das tiefe
Geheimnis des christlichen Glaubens nachdenkt,
dass wir den einen Gott zugleich als Vater, Sohn und heiligen Geist
bekennen.
Da trifft er am Meeresufer auf ein Kind, das mit einer Muschel
Wasser in eine kleine Vertiefung im Sand schaufelt.
Augustinus ist verwundert und fragt das Kind, was es denn tue.
Das Kind antwortet, dass es das ganze Meer in diese kleine
Vertiefung schaufeln wolle. Augustinus lächelt und gibt dem Kind zu
verstehen, dass das unmöglich sei. Das Kind jedoch entgegnet, dass
dies eher möglich sei, als dass es Augustinus gelinge, auch nur den
kleinsten Teil des Geheimnisses der Trinität auszuschöpfen.


Wir haben heute einen Predigttext, der aus dem 1. Testament kommt,
der beschreibt, wie der Prophet Jesaja in einer Vision – in einem
Traum – vor dem Thron Gottes steht und die Herrlichkeit Gottes schaut.
Wir sehen hier ein Bild von Gott, dass an Kraft und Feuer wohl kaum
zu überbieten ist.


Text Jes. 6,1-13..


Was für eine Geschichte – Jesaja erzählt uns in einer überwältigenden
Fülle von Bildern und Symbolen die Szene seiner Berufung.
Gott sitzt auf seinem erhabenen Thron,
so riesig, dass allein der Saum seines Gewandes den ganzen Tempel
ausfüllt.


Über Gott stehen oder schweben mehrere Serafim –
gewaltige schlangen ähnliche Engelswesen,
die sich so laut den Lobpreis Gottes zurufen, dass die Schwellen des
Tempels beben.
„Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner
Ehre voll“
Ein bekannter Text – in der Abendmahlsliturgie singen wir auch
diesen Lobpreis, wenn es heißt:
„Darum mit allen Engeln und Erzengeln und mit dem ganzen
himmlischen Heere singen wir deiner Herrlichkeit einen Lobgesang
und bekennen ohne Ende:
Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr Zebaoth…..“


Und Jesaja sieht, wie sich der Raum mit Rauch füllt –
ein Schutz für ihn, da kein lebender Mensch das Antlitz Gottes sehen
kann.


Jesaja wird es angst und bange: „weh mir, ich vergehe, denn ich bin
unreiner Lippen und wohne unter einem Volk mit unreinen Lippen.“


Der junge Mann weiß sich eingebunden in das Schicksal seines
Volkes –
er ist kein Deut besser als seine Schwestern und Brüder,
vor dem Angesicht Gottes fallen alle Hüllen und Masken,
und jeder sieht sich so, wie er in Wirklichkeit ist.


Ein Reinigungsritual vollziehen die Serafim –
mit der heiligen Flamme berühren sie seinen Mund und brennen
seine Schuld hinweg.


Und auf die Frage: Wen soll ich senden?
Antwortet Jesaja: „Hier bin ich, sende mich.“


Und nun bekommt Jesaja einen Auftrag,
der so unsagbar schwer und hoffnungslos ist, dass einem fast der
Atem wegbleibt:
„Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und versteht´s nicht,
sehet und merkets nicht, verstocke ihre Herzen
und lass ihre Ohren taub und ihre Augen blind sein.


Liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir uns die geschichtliche Situation vor Augen halten, dann
wird uns vielleicht etwas klarer, worum es hier geht.


Wir befinden uns im 8. Jahrhundert vor Christus
kurz vor der Zerstörung des Nordreiches Israels durch die Assyrer.


Jesaja sieht die Katastrophe voraus,
er warnt seinen König, der in seiner Blindheit und in seinem
Größenwahn alle politischen und militärischen Ratschläge in den
Wind schlägt, und meint gegen die Assyrer standhalten zu können,
der von der Hand in den Mund lebt, den Reichtum des Landes
verprasst und die Elenden im Volke verhöhnt.


Jesaja versucht mit allen möglichen Mitteln
und mit dem Einsatz seines Lebens den König und das Volk Israel aufzurütteln
und die Katastrophe zu verhindern – aber vergeblich.
Alle seine Warnungen werden in den Wind geschlagen –
am Ende liegt das Nordreich mit seiner Hauptstadt Samarien
in Trümmern und ein großes Wehklagen breitet sich über das Land
aus.


Er stellt verzweifelt fest, dass die Herzen seines Volkes verstockt, die
Ohren taub und die Augen blind waren.


Aber dennoch muss er seinem Amt als Prophet gerecht werden.
Er muss rufen, er muss warnen, er muss schreien –
nicht weil er seinem Volk etwas Böses antun will –
nein, weil er sein Volk liebt, weil er es vor der Katastrophe bewahren
will,
und weil er weiß, dass Gott auch nicht den Untergang seines Volkes
will.


Liebe Schwestern und Brüder,
wie vielen Gottesmännern und –frauen erging es in der Geschichte so
wie dem Propheten Jesaja.


Als unser Volk nach dem 2. Weltkrieg vor den Trümmerfeldern
unserer Städte und Dörfer stand,
erinnerte man sich an die Frauen und Männer, die genau davor
gewarnt hatten
und deren Stimmen man befohlen hatte zu schweigen,
die man in Gefängnisse und KZ gesteckt und grausam umgebracht
hatte.


Die Herzen waren verstockt, die Ohren taub und die Augen blind.
Bis zum bitteren Ende musste dieses Volk gehen,
bis zur völligen Niederlage.
Anders wäre wohl kein Neuanfang möglich gewesen.


Das Amt des Propheten Jesaja war ein schweres und offensichtlich
auch ein vergebliches.
Er konnte sein Volk auch nicht vor dem Untergang bewahren.


Das, was mich aber besonders berührt an dieser Geschichte, ist der
Gehorsam des Propheten.
Er weiß von Anfang an, dass sein Drohen und Warnen, sein Werben
und Barmen, sein Schreien und Ringen von niemandem gehört wird.
Verhöhnt und verlacht hat man ihn, ausgestoßen und ins Gefängnis
geworfen, isoliert und mundtot gemacht.


Aber er konnte nicht anderes – er musste das Unrecht beim Namen
nennen, die Überheblichkeit und Gottlosigkeit der Verantwortlichen
hinausschreien.
Er sah die Katastrophe voraus und beschrieb sie in eindrücklichen
Bildern – aber niemand hörte auf ihn – er hatte keinen Erfolg mit
seinen Predigten.


In die Geschichte aber ist er als ein gottesfürchtiger und gerechter
Mann eingegangen, seine Aufzeichnungen wurden zu heiligen
Schriften, sein Gehorsam Gott gegenüber und sein Prophetenamt
diente als das große Vorbild allen Generationen danach bis auf den
heutigen Tag.


Liebe Schwestern und Brüder, so wie Jesaja ist es unzähligen
Menschen davor und danach gegangen.
Auch heute gibt es viele Frauen und Männer, die vor der großen
Katastrophe warnen.
Der immer weiter fortschreitende Klimawandel,
die atomare und konventionelle Aufrüstung in Höhe von Billiarden Dollarn weltweit,
das Beliefern von Waffen in Krisengebiete, die militärische Unterstützung von autoritären Systemen,
die Zerstörung der Lebensgrundlage für die einheimische
Bevölkerung durch internationale Konzerne, die die Erde ausbeuten
in den Meeren und auf dem Lande,
die immer weiter auseinanderklaffende Spalte zwischen den wenigen
Reichen und den immer zahlreicher werdenden armen Menschen auf
der Erde –
all das und noch viel mehr wird permanent laut oder auch leise von
Menschen angeprangert und verklagt.
Wir hatten hier während des Kirchentages viele solcher
zivilgesellschaftlichen Gruppen in der Kirche und im Gemeindehaus,
die darüber aufgeklärt haben.


Trotz alledem aber scheint die große Politik blind, taub und
beratungsresistent. Trump kündigt den Kimavertrag auf, die
Rüstungsausgaben steigen, die Kriege werden nicht beendet, sondern
mit Waffen gefüttert.


Der Prophet Jesaja aber will uns als Vorbild dienen,
gehorsam gegenüber Gott zu bleiben, auch wenn es so ganz erfolglos
scheint.


Liebe Schwestern und Brüder,
was aber hat das ganze mit der Trinität zu tun, über die wir Anfangs
sprachen?


Im Unterschied zu vielen meiner Kollegen und Kolleginnen, werde
ich diesen alttestamentlichen Text nicht christologisch deuten
und eine direkte Linie zu Jesus und dem Heiligen Geist ziehen.


Dieser Text aber sagt ein Menge über Gott und seine Beziehung zu
uns Menschen aus.
Auch wenn wir ihn schauen, wie Jesaja, hoch erhaben, weit entfernt,
umgeben von Engeln und Erzengeln, drohend und unbegreiflich,
so nimmt er doch Beziehung zu den Menschen auf.
In diesem Falle zu Jesaja.
Gott ist es nicht egal, was mit seinen Geschöpfen und mit seiner Erde
geschieht.
Er will das Heil für alle. Und dafür beruft er immer wieder
Menschen, die seine Botschaft verkünden sollen, auch wenn sie so
ganz umsonst erscheint.


So beruft er jeden einzelnen von uns auf seine spezielle Weise.


„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht
Gott, Pläne des Friedens und nicht des Unglücks; ich will euch Zukunft und Hoffnung geben.“ (Jer. 29,11)

Amen.